Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Die nachhaltige "vertragswidrige" private Nutzung eines betrieblichen Pkw durch den anstellungsvertraglich gebundenen Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht stets als vGA zu beurteilen.
2. Unterbindet die Kapitalgesellschaft die unbefugte Nutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer nicht, kann dies sowohl durch das Beteiligungsverhältnis als auch durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sein. Die Zuordnung (vGA oder Arbeitslohn) bedarf der wertenden Betrachtung im Einzelfall (Anschluss an BFH-Urteil vom 23.04.2009, VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311, BFH/PR 2009, 325).
Normenkette
§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
An K, einer GmbH, waren A mit 50 % und seine Lebensgefährtin B mit 50 % beteiligt. Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer waren A und B. K stellte A nacheinander folgende BMW-Pkw zur Verfügung: einen 750IL, einen 745I und einen 760Li mit Bruttolistenpreisen zwischen 85 000 EUR und 150 800 EUR. Im Anstellungsvertrag mit A war vereinbart, dass er den Pkw ausschließlich für geschäftliche Zwecke nutzen darf.
Das FA gelangte zu der Auffassung, eine Privatnutzung durch A sei nicht auszuschließen, da weder ein Fahrtenbuch geführt noch die Einhaltung des Nutzungsverbots überwacht worden sei. Zudem verfüge A privat nur über ein Saab Cabrio mit Saisonkennzeichen für April bis Oktober. Das FA erließ an K einen entsprechenden Haftungsbescheid und erfasste die Privatnutzung mit der 1 %-Regelung als lohnsteuerpflichtigen Sachbezug.
Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.03.2009, 11 K 83/07, Haufe-Index 2255843) gab der Klage statt und beurteilte den Vorteil aus der Pkw-Nutzung nicht als Lohn, sondern als vGA.
Entscheidung
Wie unter Praxishinweisen dargestellt, wird das FG nun zu prüfen haben, ob die vertragswidrige Privatnutzung dem Gesellschafts- oder dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen ist.
Hinweis
Mit dem Besprechungsfall setzt der Senat seine Rechtsprechung zur Abgrenzung vGA/Lohn fort (vgl. dazu insbesondere BFH, Urteil vom 23.04.2009, VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311, BFH/PR 2009, 325; BFH, Beschluss vom 23.04.2009, VI B 118/08, BFH/NV 2009, 1188, BFH/PR 2009, 283). Als Fazit lässt sich festhalten, dass für bestimmte Konstellationen der Nutzungsüberlassung noch Abstimmungsbedarf zur Rechtsprechung des I. Senats hinsichtlich der zutreffenden Einkunftsart besteht.
1. Übereinstimmend gehen beide Senate davon aus, dass Lohn anzunehmen ist, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer das betriebliche Fahrzeug nicht vertragswidrig privat nutzt, sondern sich auf eine im Anstellungsvertrag ausdrücklich zugelassene Nutzungsgestattung stützen kann (vgl. BFH, Urteile vom 23.01.2008, I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057, BFH/PR 2008, 307; vom 17.07.2008, I R 83/07, BFH/NV 2009, 417, BFH/PR 2009, 94; vom 23.04.2009, VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311, BFH/PR 2009, 325). Wird dagegen das Fahrzeug ohne entsprechende Gestattung der Gesellschaft für private Zwecke genutzt, ist dies regelmäßig, aber nicht stets eine vGA. Die unbefugte Privatnutzung ist ein gegen den Willen des Arbeitgebers erlangter Vorteil; der wird nicht "für" eine Beschäftigung gewährt. Das spricht gegen Arbeitslohn und für die (Mit-)Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Allerdings kann bei einer nachhaltigen "vertragswidrigen" privaten Nutzung eines betrieblichen Pkw durch den Gesellschafter-Geschäftsführer – durch Anstellungsvertrag gebunden – auch naheliegen, dass Nutzungsbeschränkungen/-verbote nicht ernstlich, sondern nur formal vereinbart sind, da üblicherweise der Arbeitgeber eine unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer nicht duldet.
2. Wenn daher der Arbeitgeber (Kapitalgesellschaft) die unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer (Gesellschafter-Geschäftsführer) nicht unterbindet, kann dies sowohl durch das Beteiligungsverhältnis als auch durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sein. Die Zuordnung bedarf dann der wertenden Betrachtung aller Gesamtumstände des Einzelfalls, bei der immer auch zu berücksichtigen ist, dass die "vertragswidrige" Privatnutzung auf einer vom schriftlich Vereinbarten abweichenden, mündlich oder konkludent getroffenen Nutzungs- oder Überlassungsvereinbarung beruhen und damit im Arbeitsverhältnis wurzeln kann.
3. Das bedeutet für die Praxis: Steht die Privatnutzung fest, müssen in solchen Fällen die FG als Tatsacheninstanz letztlich in einer Art Gesamtwürdigung den Vorteil wertend dem Gesellschafts- oder dem Arbeitsverhältnis zuordnen (dazu schon BFH, Urteil vom 23.04.2009, VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311, BFH/PR 2009, 325).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.02.2010 – VI R 43/09