Die Veräußerung ist unentbehrliche Voraussetzung für eine Besteuerung nach § 23 EStG. Unter Veräußerung nach dieser Vorschrift ist die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten mit Lieferverpflichtung zu verstehen. Kein Veräußerungsgeschäft ist z. B. die Einlösung der Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibung und Erfüllung eines Sachleistungsanspruchs.
Auch die Einziehung der Forderung stellt keine Veräußerung dar. In der Regel sind entgeltliche Geschäfte beim Anschaffenden auch solche beim Veräußernden. So kann z. B. die Abfindungszahlung an den weichenden Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung für den Mehrempfang ein Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG sein. Voraussetzung ist, dass die Anschaffung durch den Erblasser und die Erbauseinandersetzung innerhalb der für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Veräußerungsfrist liegen.
Auch bei der teilentgeltlichen Übertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge kann beim Vermögensübergeber unter den weiteren Voraussetzungen des § 23 EStG ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft gegeben sein.
Teilentgeltlicher Erwerb im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge
V überträgt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein von ihm am 1.7.2023 für 500.000 EUR angeschafftes Mietwohngrundstück mit Ablauf des 31.12.2024 auf seinen Sohn S. Das Grundstück hat zu diesem Zeitpunkt einen Verkehrswert von 600.000 EUR. S muss an V eine Abstandszahlung von 50.000 EUR und an seine Schwester T ein Gleichstellungsgeld von 250.000 EUR leisten.
V ist ein Veräußerungsentgelt von 300.000 EUR (Abstandszahlung und Gleichstellungsgeld) zuzurechnen. Nach dem Verhältnis des Veräußerungsentgelts zum Verkehrswert des Grundstücks ist dieses zu 1/2 entgeltlich übertragen worden. Der Veräußerungsgewinn des V beträgt mithin 300.000 EUR (Veräußerungspreis) abzüglich 1/2 von 500.000 EUR (Anschaffungskosten) = 50.000 EUR.
Die Übertragung z. B. eines Grundstücks gegen Entgelt oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, z. B. Familien-GbR, oder Gemeinschaft, z. B. eheliche Gütergemeinschaft, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung insoweit nicht als Veräußerung anzusehen, als der bisherige Eigentümer am Vermögen der Gesellschaft oder Gemeinschaft beteiligt ist oder wird. Wirtschaftsgüter einer Gesamthandsgemeinschaft sind abweichend von den Vorschriften des bürgerlichen Rechts anteilig den Gemeinschaftern zuzurechnen. Ein Veräußerungsvorgang ist nur insoweit gegeben, als das Wirtschaftsgut dem Einbringenden nach Übertragung nicht mehr zuzurechnen ist.
Überträgt ein Ehegatte ein Wirtschaftsgut, z. B. seinen Miteigentumsanteil (Miteigentum) an einem Grundstück, als Folge eines Vergleichs oder einer Gesamtauseinandersetzung bei der Ehescheidung auf den anderen Ehegatten, kann dies einen Veräußerungsvorgang i. S. d. § 23 EStG darstellen, und zwar auch dann, wenn dem erwerbenden Ehegatten wegen Auflösung der Zugewinngemeinschaft ein Ausgleichsanspruch zusteht und dieser als Gegenleistung auf den Ausgleichsanspruch verzichtet.
Übertrag eines Grundstücks im Rahmen einer Ehescheidung
Ehegatten A und B leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Ehemann A erwarb 2015 für 100.000 EUR ein bebautes Grundstück, das seither von ihm vermietet wurde. Die Ehe wird im Jahr 2024 geschieden. Der geschiedenen Ehefrau steht ein Zugewinnausgleichsanspruch gegen A i. H. v. 150.000 EUR zu. Zur Abgeltung dieses Anspruchs überträgt A ihr das Grundstück, das im Übertragungszeitpunkt einen Verkehrswert von 150.000 EUR hat. Wird ein Grundstück vom Eigentümer an einen Dritten zur Tilgung einer diesem – gleich aus welchem Rechtsgrund – zustehenden Geldforderung an Erfüllungsstatt übertragen, handelt es sich um ein Veräußerungsgeschäft beim Eigentümer bzw. Anschaffungsgeschäft beim Dritten. Da im Beispielsfall A das Grundstück innerhalb von 10 Jahren nach Erwerb veräußert hat, ist ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft i. S. v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gegeben.
Der von A zu versteuernde Veräußerungsgewinn beträgt:
Veräußerungserlös |
150.000 EUR |
Anschaffungskosten |
./. 100.000 EUR |
Gewinn aus § 23 EStG |
50.000 EUR |
Welche Beweggründe der Steuerpflichtige für die Veräußerung hat, ist unerheblich. Eine Spekulationsabsicht ist nicht erforderlich. Auch der Steuerpflichtige, der z. B. sein Mietwohngrundstück in einer finanziellen Notlage oder aus Krankheitsgründen verkaufen muss, kommt daher nicht umhin, einen erzielten Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG zu versteuern. Selbst Veräußerungen unter behördlichem Zwang, wie die Enteignung eines Grundstücks gegen Entschädigung ohne Ersatzgrundstück, fallen grundsätzlich unter § 23 EStG. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung nur, wenn es wegen eines behördlichen Zwangsakts (Enteignung bzw. Umlegung) oder zur Abwendung eines solchen unmittelbar bevorstehenden Zwangsakts zum Erwerb eines Ersatzgrundstücks kommt. Ein solcher Austausch stellt kein...