Zusammenfassung
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG gehören zu den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 2 EStG). Zweck des § 23 EStG ist es, Gewinne aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertsteigerungen, die innerhalb der Veräußerungsfrist realisiert werden, der Einkommensteuer zu unterwerfen.
Für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, z. B. das Erbbaurecht, gilt eine steuerschädliche Veräußerungsfrist von 10 Jahren (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Für andere Wirtschaftsgüter beträgt die Behaltefrist grundsätzlich 1 Jahr (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Kapitalanlagen ist hier ausgenommen. Für diese gilt § 20 Abs. 2 EStG.
Obwohl es sich bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften um eine Überschusseinkunftsart handelt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG), enthält diese Regelung diverse Besonderheiten. So spricht das Gesetz u. a. vom "Gewinn aus Veräußerungsgeschäften". Während dies lediglich eine sprachliche Bezeichnung ist, die am materiell-rechtlichen Überschusserzielungscharakter dieser Vorschrift nichts ändert, nähert sich die Regelung aufgrund der gewinnerhöhenden Hinzurechnung der bei den anderen Einkunftsarten geltend gemachten AfA-Beträge stark den Gewinneinkünften an. Hervorzuheben sind des Weiteren die Freigrenze von 1.000 EUR sowie der eingeschränkte Verlustverrechnungskreis.
Regelungen sind in § 23 des EStG enthalten.
Zu Zweifelsfragen bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte hat die Finanzverwaltung neben den Hinweisen im amtlichen Einkommensteuer-Handbuch (H 23 EStH) in dem BMF, Schreiben v. 5.10.2000, IV C 3 – S 2256 – 263/00, BStBl 2000 I S. 1383, zuletzt ergänzt durch BMF, Schreiben v. 17.6.2020, IV C 1 – S 2256/08/10006:006, BStBl 2020 I S. 576, Stellung genommen. Relevante Aussagen zur Besteuerung von virtuellen Währungen und sonstigen Token befinden sich auch im BMF, Schreiben v. 10.5.2022, IV C 1 – S 2256/19/10003:001, BStBl 2022 I S. 668.
1 Grundsätzliches
1.1 Subsidiarität
Die Besteuerungstatbestände des § 23 EStG sind im Verhältnis zu den anderen Einkunftsarten subsidiär. Werden also Wirtschaftsgüter, die zu einem Betriebsvermögen gehören, veräußert, sind die Veräußerungsgewinne stets bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, aus Land- und Forstwirtschaft oder selbstständiger Arbeit zu erfassen.
1.2 Abgeltungsteuer
Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, anderen Wertpapieren wie Anleihen, aber auch Gewinne aus Termingeschäften werden nach § 20 Abs. 2 EStG unter Anwendung des Abgeltungsteuersatzes von höchstens 25 % besteuert.
Betroffen von dieser Regelung sind die Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2008 erworben werden. Für Wertpapiere, die vor dem 1.1.2009 angeschafft wurden, oder Termingeschäfte, bei denen der Erwerb des Rechts vor diesem Stichtag erfolgte, findet § 23 EStG weiterhin Anwendung. Dies bedeutet, dass Steuerpflichtige, die z. B. ihre Aktien vor diesem Stichtag erworben haben, diese steuerfrei veräußern können.
2 Voraussetzungen
2.1 Anschaffung
Ein privates Veräußerungsgeschäft setzt neben der Veräußerung die Anschaffung eines bestimmten Wirtschaftsguts voraus.
Unter Anschaffung i. S. d. § 23 EStG ist der Erwerb eines Grundstücks, grundstücksgleichen Rechts oder anderen Wirtschaftsguts von einem Dritten gegen Entgelt zu verstehen. Das Entgelt kann dabei auch in einer geldwerten Gegenleistung bestehen.
Welche Beweggründe der Steuerpflichtige für die Anschaffung des Wirtschaftsguts hat, ist unerheblich. Eine Spekulationsabsicht ist nicht erforderlich. Die Erwerbshandlung muss aber vom Willen des Steuerpflichtigen getragen sein. Keine Anschaffung i. S. d. § 23 EStG ist daher gegeben, wenn es wegen eines behördlichen Zwangsaktes, z. B. Enteignung nach §§ 85 ff. BauGB bzw. Umlegung nach § 45 BauGB, oder zur Abwendung eines solchen unmittelbar bevorstehenden Zwangsakts zum Erwerb eines Ersatzgrundstücks mit gleichen Funktionen kommt. Für die Berechnung der Veräußerungsfrist ist in diesem Fall nicht der Tag der Anschaffung des Ersatzlandes, sondern der Zeitpunkt maßgebend, zu dem der Steuerpflichtige das ersetzte Grundstück erworben hat.
Die Abgabe des Meistgebots in der Zwangsversteigerung eines Grundstücks ist eine Anschaffung i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, weil der Meistbietende damit den Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück erwirbt.
Die Anschaffung setzt Vereinbarungen voraus, die auf den Übergang des (wirtschaftlichen) Eigentums gerichtet sind. Die zeitlich begrenzte Überlassung eines Grundstücks zur Nutzung ist danach keine Anschaffung i. S. d. § 23 EStG (z. B. Erbbaurecht).
Nicht nur Kaufverträge, sondern auch Tauschverträge und alle sonstigen Vereinbarungen, die einem Kaufvertrag wirtschaftlich gleichzustellen sind, z. B. ein bindendes Vertragsangebot oder ein bürgerlich-rechtlich wirksamer, beide Vertragsparteien bindender Vorvertrag, können Anschaffungsvorgänge i. S. d. § 23 ...