Leitsatz
1. Zwischen dem angeschafften bebauten Grundstück und dem veräußerten, durch Teilung entstandenen unbebauten (Teil‐)Grundstück besteht wirtschaftliche (Teil‐)Identität.
2. Die Tatbestandsausnahme in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes erstreckt sich nicht nur auf das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude, sondern auch auf den dazugehörenden Grund und Boden, sofern ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem Gebäude und dem Grundstück besteht.
3. Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grund und Boden entfällt, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Die beiden dadurch entstandenen Grundstücke sind in Bezug auf ihre "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" jeweils getrennt zu betrachten.
Normenkette
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sätze 1 und 3, § 22 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Streitig ist die Berücksichtigung eines Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften. Die Kläger (Eheleute) erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28.3.2014 ein bebautes Grundstück (fast 4000 qm) je zur Hälfte. Nach umfassender Sanierung zogen sie im Jahr 2015 zusammen mit ihrem Sohn ein und nutzten die Außenflächen als Garten.
Im Jahr 2019 teilten die Kläger das Grundstück in zwei Teilflächen. Sie bewohnten weiterhin das Haus auf dem einen Teilstück. Den anderen – unbebauten – Grundstücksteil veräußerten sie. In ihrer ESt-Erklärung für 2019 machten die Kläger dazu keine Angaben.
Das FA war der Ansicht, dass ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S.d. §§ 22, 23 EStG auch dann vorliege, wenn ein unbebautes Grundstück parzelliert, eine Parzelle innerhalb der Veräußerungsfrist veräußert und das Grundstück im Übrigen weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde.
Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage nur insoweit Erfolg, als das FG den Veräußerungsgewinn reduzierte (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.7.2022, 4 K 88/21, Haufe-Index 15607066, EFG 2023, 494).
Mit der Revision rügen die Kläger, die Veräußerung des Flurstücks erfülle schon mangels Nämlichkeit nicht den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts. Jedenfalls sei die Veräußerung wegen der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht steuerbar.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Kläger aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Im Streitfall ging es zum einen darum, ob überhaupt ein privates Veräußerungsgeschäft vorlag (1.), zum anderen darum, ob eine Nutzung zu eigenen Wohnzecken bejaht werden konnte (2.).
1. Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der ESt unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut.
Ob und in welchem Umfang Nämlichkeit gegeben ist, richtet sich nach einem wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, wobei die Kriterien Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit maßgeblich sind.
a) Wird ein Wirtschaftsgut angeschafft, aber (nach entsprechender Teilung) nur zum Teil veräußert, kommt wirtschaftliche Teilidentität in Betracht. Die wirtschaftliche Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts bleibt in den Teilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen Wirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt.
b) Das war im Streitfall gegeben. Das verkaufte Teilstück ist eine unbebaute Teilfläche des ursprünglichen Flurstücks und kein qualitativ anderes Wirtschaftsgut. Die aus der Teilung hervorgegangenen Flurstücke waren zwar unterschiedlich groß, unterschieden sich aber ansonsten in ihrer Art, Funktion und Wertigkeit nicht voneinander. Etwaige Vermessungs-, Einfriedung-, Abriss- oder Abholzungsmaßnahmen führen nicht zur Annahme eines anderen Wirtschaftsguts.
2. Bezogen auf das veräußerte Teilstück hat der BFH die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG verneint und damit seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt. Im Unterschied zu BFH, Urteil vom 25.5.2011, IX R 48/10, BFH/NV 2011, 1945, BStBl II 2011, 868, Haufe-Index 2744367, lag im Besprechungsfall bei Erwerb noch kein eigenständiges Grundstück vor.
a) Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird. Ertragsteuerlich bilden das Wohngebäude und der dazugehörende Grund und Boden unterschiedliche Wirtschaftsgüter. Begrifflich kann nur das Wohngebäude zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden.
Gleichwohl erstreckt sich die Ausnahme auch auf den Grund und Boden, auf dem das Wohngebäude steht, soweit ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszu...