Leitsatz
Die Gewährung eines Anspruchs auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung nur für "ehemalige" Beamte und Angestellte der Finanzverwaltung ist nicht verfassungswidrig.
Normenkette
§ 38 Abs. 1 Nr. 3 StBerG , § 38a StBerG
Sachverhalt
Ein langjähriger Mitarbeiter der Finanzverwaltung beantragte bei dem Finanzministerium die Befreiung von der Steuerberaterprüfung. Sein Antrag wurde abgelehnt, weil die Befreiung nach dem StBerG nur ehemaligen Mitarbeitern der Finanzverwaltung gewährt werden könne.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab, weil der Kläger nicht ausreichend lange mit der Verwaltung der Steuern (sondern mit organisatorischen Aufgaben) befasst gewesen sei.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG aus einem anderen Grund im Ergebnis bestätigt: Nur "ehemalige" Beamte des höheren Dienstes und vergleichbare Angestellte der Finanzverwaltung, die mindestens zehn Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern als Sachgebietsleiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind, könnten von der Prüfung befreit werden. Die Beschränkung des Kreises der Befreiungsbewerber auf bereits ausgeschiedene Mitarbeiter sei, anders als der Kläger meine, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Hinweis
1. Nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StBerG können "ehemalige" Beamte des höheren Dienstes und vergleichbare Angestellte der Finanzverwaltung, die mindestens zehn Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern als Sachgebietsleiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind, von der Prüfung befreit werden.
Die Vorschrift ist von Verfassungs wegen angegriffen worden, weil sie den Betreffenden etwas Unzumutbares zumute: diese müssten erst ihren Job bei der Finanzverwaltung aufgeben, um zu erfahren, ob sie prüfungsfrei Steuerberater werden dürfen (oder nicht und dann arbeitslos sind). Das ist aber so nicht ganz richtig: Die Betreffenden können sich durch Einholung einer verbindlichen Auskunft vor Ausscheiden aus der Finanzverwaltung Gewissheit darüber verschaffen, ob sie sich ggf. nach ihrem Ausscheiden aus der Finanzverwaltung als Steuerberater betätigen dürfen, ohne zuvor die (misserfolgsgeneigte) Teilnahme an der Steuerberaterprüfung wagen zu müssen.
Die Problematik des prüfungsfreien Zugangs zur Steuerberaterschaft für Mitarbeiter der Finanzverwaltung unterscheidet sich insofern grundlegend von der Problematik der Prüfungsteilnahme dieses Personenkreises. Hier hat das BVerfG – mit Recht – für unzumutbar und gemessen an der Freiheit des Berufswechsels (Art. 12 Abs. 1 GG) unzulässig gehalten, das Ausscheiden aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis zur Voraussetzung der Prüfungsteilnahme zu machen (wie es das StBerG früher tat).
Diese auf Art. 12 Abs. 1 GG gestützte Entscheidung lässt sich aber auf die Prüfungsbefreiung, die ohnehin schon ein Privileg bestimmter Personengruppen darstellt, nicht übertragen; denn insofern geht es nicht um die Freiheit des Berufszugangs (die aktiven Mitarbeiter können sich den Zugang jederzeit über die Ablegung der Prüfung verschaffen), sondern um die Erweiterung eines Privilegs. Dessen rechtliche Ausgestaltung kann nur an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen werden.
2. Ob ein rechtspolitisch tragfähiger sachlicher Grund für die Beschränkung der Prüfungsbefreiung auf ehemalige Mitarbeiter besteht oder zumindest bestanden hat (und Anlass der betreffenden gesetzlichen Regelung gewesen ist), steht auf einem anderen Blatt. Auch der BFH hatte sichtlich Mühe, diesen zu finden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.12.2003, VII R 59/02