Leitsatz
Bei materiell zu Unrecht einbehaltener Abzugssteuer hat der Vergütungsgläubiger ein Wahlrecht, wie er hiergegen vorgehen möchte: entweder mit dem Einspruch gegen die Steueranmeldung des Vergütungsschuldners oder mit dem Freistellungs- und Erstattungsverfahren beim Bundesamt für Finanzen. Mit der Erteilung des Freistellungs- und Erstattungsbescheides ist der Rechtsgrund für die vom Vergütungsschuldner für den Vergütungsgläubiger einbehaltene und abgeführte Quellensteuer entfallen.
Sachverhalt
Bei der Klägerin handelt es sich um eine 1988 in Österreich gegründete GmbH. Mit mehreren Verträgen räumte die Klägerin der beigeladenen Vergütungsschuldnerin das Recht ein, anlässlich diverser Sportveranstaltungen als Sponsor für sich zu werben. Hierfür beantragte die Klägerin im Jahr 1999 die Freistellung vom Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 i.V.m. § 50d EStG. Die Freistellungsbescheide wurden antragsgemäß erteilt. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, dass bereits Steuerabzugsbeträge zu ihren Lasten durch die Beigeladene abgeführt worden seien, leitete der Beklagte, das Bundesamt für Finanzen, ein Erstattungsverfahren ein. In diesem Rahmen überprüfte er durch Rückfrage beim für die Beigeladene zuständigen Finanzamt P, ob die Steuerabzugsbeträge tatsächlich einbehalten und abgeführt worden waren. Nachdem die erforderlichen Bestätigungen des Finanzamts P vorlagen, wurden Beträge von mehr als 1.000.000 EUR an die Klägerin erstattet. Im Jahr 2003 teilte allerdings das Finanzamt P dem Bundesamt für Finanzen mit, dass die o.g. Beträge aufgrund einer Berichtigung der Steueranmeldungen an die beigeladene Vergütungsschuldnerin ausgezahlt worden seien, so dass eine doppelte Erstattung der Abzugsbeträge - einmal an die Vergütungsgläubigerin und ein zweites Mal an die Vergütungsschuldnerin - erfolgte. Daraufhin hob das BfF die ergangene Freistellung auf und forderte die bereits erstatteten Beträge zurück. Gegen diesen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, dass sich der Anspruch auf Erstattung der Steuerabzugsbeträge aus § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG ergäbe. Der Beklagte wies den Einspruch sowie den erneuten Antrag auf Freistellung als unbegründet zurück. Mit der hiergegen erhobenen Klage führt die Klägerin aus, dass die Aufhebung des ursprünglichen Freistellungsbescheids rechtswidrig gewesen sei.
Entscheidung
Nach der Auffassung des Gerichts ist die Klage begründet. Den ursprünglichen Freistellungsbescheid durfte der Beklagte nicht aufheben. Aufgrund der analogen Anwendbarkeit des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG stand der Klägerin nach wie vor ein Anspruch auf Freistellung und Erstattung der für sie einbehaltenen und abgeführten Quellensteuer zu. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin mit ihrer Tätigkeit unstreitig nicht der deutschen Quellenbesteuerung unterlag, bestand für sie keine andere Möglichkeit, den materiell-rechtlich zu Unrecht einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbetrag zu erlangen als der Weg über das Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG. Gegen dieses Ergebnis kann nicht eingewendet werden, dass die Klägerin zwingend die Steueranmeldungen der Beigeladenen hätte anfechten müssen. Denn der Erfolg dieser Vorgehensweise wäre wohl eher zufällig, weil dem Vergütungsgläubiger häufig die Abgabe der Anmeldung und die damit einher gehende Rechtsbehelfsfrist nicht bekannt sein werden. Aus diesem Grunde hält es der Senat für zulässig, dass der beschränkt Steuerpflichtige ein Wahlrecht hat, wie er gegen die materiell zu Unrecht einbehaltene Quellensteuer vorgehen möchte: entweder mit dem Einspruch gegen die Steueranmeldung der Vergütungsschuldnerin oder beim Bundesamt für Finanzen mit dem Freistellungs- und Erstattungsverfahren. Die Klägerin hat sich in zulässiger Weise für die zweite Möglichkeit entschieden. Daraus folgt im Ergebnis, dass nicht die Klägerin zur Rückzahlung des streitigen Betrages verpflichtet ist, sondern die Beigeladene. Denn in dem Verhältnis der Beigeladenen zum Finanzamt P ist auch die fehlerhafte Doppelerstattung eingetreten. Aufgrund der Überlagerung der ersten Anmeldungen durch die ursprünglichen Freistellungsbescheide durfte das Finanzamt P den streitigen Betrag nicht mehr an die Beigeladene auskehren, da der ursprüngliche Erstattungsanspruch bereits durch Leistung an die Klägerin erloschen war. Weil die Beigeladene insoweit keinen eigenen materiellen Erstattungsanspruch geltend gemacht hat, sondern "fremdnützig" für die Klägerin tätig geworden ist, muss sie sich diese Erfüllungswirkung zurechnen lassen. Die Revision wurde zugelassen.
Hinweis
Um Streitigkeiten aufgrund von Doppelerstattungen zu vermeiden, ist auf eine strikte Trennung der Verfahren zu achten. Im ersten Verfahren muss der Vergütungsschuldner Quellensteuer einbehalten und an das zuständige Finanzamt abführen, selbst wenn aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens keine Quellensteuerpflicht in Deutschland besteht. Im zweiten Verfahren hat der Vergütungsgläubiger die Möglichkei...