Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die formale Zwischenschaltung eines Dritten bei einem Veräußerungsvorgang ist steuerrechtlich dann unbeachtlich, wenn hierdurch in unzulässiger Weise die anderenfalls verwirkte Steuer i. S. d. § 42 Abs. 1 Satz 1 AO umgangen wird.
Sachverhalt
Der Kläger war Eigentümer zweier unbebauter Nachbargrundstücke in A. Für eine Teilfläche an beiden Grundstücken war im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Bruders X eingetragen. Im Jahr 2006 wurden vor dem Notar u. a. folgende Grundstücksverträge beurkundet.
- Zum ersten wurde ein Tauschvertrag beurkundet, demzufolge Z, der Vater des Klägers, ein ihm gehörendes Grundstück auf den Sohn X, den Bruder des Klägers, übertrug. Als Tauschleistung trat X den ihm gegenüber dem Kläger zustehenden Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an der Teilfläche an den Nachbargrundstücken in A an Z ab.
- Zum zweiten übertrug Z seine Rechte an dieser Teilfläche unentgeltlich an den Kläger.
Im Ergebnis war somit der Kläger in vollem Umfang Eigentümer der Nachbargrundstücke in A, wobei die ursprünglich bestehende und auf die Teilfläche bezogene Grundstücksverpflichtung gegenüber X entfallen und die Auflassungsvormerkung gelöscht war.
Das Finanzamt behandelte den Erwerb der Rechte an der Teilfläche der Grundstücke als steuerbaren und grunderwerbsteuerpflichtigen Grundstückstausch zwischen dem Kläger und seinem Bruder X. Die gewählte Gestaltung sei rechtsmissbräuchlich und habe nur dazu gedient, die im Fall eines unmittelbaren Erwerbs von X anfallende Grunderwerbsteuer zu umgehen.
Entscheidung
Das FG hat sich der Auffassung des Finanzamts angeschlossen und entschieden, dass der Erwerb des Grundstücks nicht nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit ist, weil der Kläger das Grundstück nicht von seinem Vater - einem Verwandten in gerader Linie - erworben hat.
Vorliegend haben der Kläger, sein Vater und sein Bruder durch den Abschluss der beiden Verträge im Ergebnis beabsichtigt, dass der bereits im Grundbuch als Eigentümer der Nachbargrundstücke in A eingetragene Kläger diese Grundstücke unbelastet zu Eigentum behält. Im Gegenzug hierfür hat der Bruder, der für seinen Rechtsverzicht auch eine Gegenleistung erwartet hatte, von seinem Vater das unbebaute Grundstück erhalten.
Gemessen an der Absicht der an dem "Dreiecksgeschäft" beteiligten Personen, dem Kläger die durch die Auflassungsvormerkung zugunsten seines Bruders belastete Teilfläche lastenfrei zu verschaffen, ist die Einschaltung des Vaters des Klägers als ungewöhnlich und wirtschaftlich überflüssig zu betrachten. Letzteres gilt vor allem deshalb, weil der Vater des Klägers als Zwischenerwerber dieser Teilfläche angesichts der Eigentümerstellung des Klägers in Bezug auf die Restfläche dieser Grundstücke überhaupt kein Interesse an diesem Zwischenerwerb gehabt hat. Als einziger Grund für die Wahl der umständlichen Gestaltung ist die Vermeidung von Grunderwerbsteuer anzusehen. Mithin sind die Voraussetzungen für eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung i. S. des § 42 AO gegeben.
Hinweis
Die Übertragung des Grundstücks durch den Vater des Klägers auf den Bruder des Klägers stellte vorliegend die Tauschleistung des Klägers für den Erwerb der Teilfläche der Nachbargrundstücke in A dar. Denn zur Gegenleistung gehören auch Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt. Der Kläger hat ausdrücklich dargelegt, dass sein Bruder ihm die Rechte an der Teilfläche der Nachbargrundstücke nur im Gegenzug gegen die erhaltene Leistung seines Vaters, jedenfalls nicht unentgeltlich eingeräumt hätte.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 28.08.2013, 4 K 1975/11