Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Reitkurse für Jugendliche und Kinder auf Reiterhöfen können gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG umsatzsteuerfrei sein, wenn diese den Kursteilnehmern den unmittelbaren Berufseinstieg in den Turniersport ermöglichen. Ggf. ist die Aufnahme von Jugendlichen aus Ausbildungs- bzw. Erziehungszwecken steuerfrei nach § 4 Nr. 23 UStG alte Fassung, wenn durch die Vermittlung des richtigen Umgangs mit Pferden und durch einen strukturierten Tagesablauf erzieherisch auf die Jugendlichen eingewirkt werden kann.
Sachverhalt
Die Klägerin führte auf einem Reiterhof während der Schulferien Reitkurse für Kinder und Jugendliche durch und beherbergte und beköstigte die aufgenommenen Teilnehmer.
Ziel der einwöchigen sogenannten Ponykurse war das altersgerechte Erlernen des Umgangs mit den Ponys mit Reitunterricht. Von den Kursteilnehmern nahmen ca. 30 % bis 40 % an den Prüfungen für ein sogenanntes Motivationsabzeichen teil.
Von den Teilnehmern mit bereits vorhandener Reiterfahrung an den ein- bis zweiwöchigen großen Pferdekursen mit Spring-, Dressur- und Theorieunterricht nahmen am Kursende 60 % bis 70 % an den Leistungsabzeichen-Prüfungen teil. Die Leistungsabzeichen berechtigten unter anderem zum Einstieg in den Turniersport.
Die einwöchigen Kursprogramme für Schulklassen für Kinder von 9 bis 12 Jahren mit Reit- und Theorieunterricht zielte darauf ab, den Kindern den häufig erstmaligen Kontakt mit Pferden zu ermöglichen. Reitabzeichen wurden insoweit nicht abgenommen.
Das Finanzamt ging insgesamt nicht von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen aus.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG sind die Umsätze der Klägerin aus den Kursen der großen Pferdegruppe nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei und die Umsätze aus der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung im Rahmen der Kurse der Ponygruppe und der Klassenfahrten nach § 4 Nr. 23 UStG steuerfrei. Dagegen sind die Umsätze aus den Kursen der Ponygruppe und aus den Klassenfahrten steuerpflichtig, soweit sie auf den Reitunterricht und das weitere Tagesprogramm entfallen.
Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers stellen die von der Klägerin erbrachten Kurse und die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung eigene, selbständige für die Steuerbefreiung jeweils einzeln zu betrachtende Leistungen dar. Die streitigen Umsätze stehen nicht in einem Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung. Die Kurse und die Unterkunft und Verpflegung dienten unterschiedlichen und gleichgewichtigen Zwecken.
Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
Nach der Überzeugung des FG vermittelte der auf die Ablegung sogenannter Leistungsabzeichen ausgerichtete Reitunterricht der Kurse der großen Pferdegruppe Kenntnisse und Fähigkeiten, die den Kursteilnehmern unter anderem die Berufsausübung als Turniersportreiter ermöglicht. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Kursteilnehmer dieses Berufsziel auch konkret angestrebt haben (vgl. BFH, Urteil v. 28.5.2013, XI R 35/11, BStBl 2013 II S. 879). Auch die Dauer der Ausbildung ist unerheblich. Der vorliegenden Bescheinigung des Bildungs- und Wissenschaftsministeriums des Landes Schleswig-Holstein kommt eine Indizwirkung dafür zu, dass die Kursangebote bezüglich der großen Pferdegruppe auch nicht der bloßen Freizeitgestaltung dienten.
Hinsichtlich der Kursangebote der Ponygruppe und der Klassenfahrten erbringt die Klägerin keine unmittelbar dem Bildungszweck dienende Leistungen, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind. Diese Kurse stellen auch keinen Schul- und Hochschulunterricht im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL und Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL dar.
Nach § 4 Nr. 23 Satz 1 UStG alte Fassung sind die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche vor Vollendung des 27. Lebensjahres für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen, steuerfrei. Abzugrenzen ist die Aufnahme zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken von Leistungen der Beherbergung und Verköstigung während eines kurzfristigen Urlaubsaufenthalts mit Freizeitangebot und Freizeitgestaltung.
Vorliegend hat die Klägerin bei den Kursen der Ponygruppe und bei Klassenfahrten Erziehungsaufgaben und bei den Kursen der großen Pferdegruppe Ausbildungsaufgaben im Sinne des § 4 Nr. 23 UStG übernommen.
Hinweis
Gegen das oben genannte FG-Urteil wurde Revision eingelegt, Az beim BFH XI R 9/22. Das FG hat die Revision zugelassen, da die Reichweite der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG vor dem Hintergrund der jüngsten EuGH-Rechtsprechung zur Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchs...