Leitsatz
Ein Steuerbescheid kann dem Steuerpflichtigen auch dann wirksam bekannt gegeben werden, wenn zwar ein Bevollmächtigter benannt wurde, dieser aber nicht eindeutig und unmissverständlich als Zustellungsbevollmächtigter bezeichnet wurde. Eine Nachforschungspflicht des FA, an wen bekannt gegeben werden soll, besteht bei widersprüchlichen Angaben über die Bevollmächtigung in der Steuererklärung nicht.
Sachverhalt
Ein Steuerpflichtiger widerrief die Zustellungsvollmacht für einen Bevollmächtigten. Auch der Bevollmächtigte wies das FA darauf hin. In einer nachfolgenden KSt-Erklärung war in der Zeile 14 angekreuzt, dass der Bescheid dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden soll, dessen Empfangsvollmacht dem FA vorliege. Ein konkreter Bevollmächtigter wurde in der Erklärung nicht bezeichnet. Das FA richtete den Verlustfeststellungsbescheid trotzdem an den Steuerpflichtigen. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist legte der Steuerpflichtige durch einen weiteren Bevollmächtigten Einspruch mit der Begründung ein, dass der Bescheid an den früheren Bevollmächtigten bekanntzugeben gewesen wäre und daher noch nicht wirksam wurde.
Entscheidung
Das FG Hamburg entschied, dass der Bescheid an den richtigen Adressaten und damit wirksam bekannt gegeben wurde. Im Festsetzungsverfahren steht dem FA ein Auswahlermessen zu (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO), ob der Bescheid an den Steuerpflichtigen oder an einen Bevollmächtigten bekanntgegeben werden soll. Die AO weicht von den Bestimmungen in der förmlichen Zustellung (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG) bewusst ab, damit das FA in diesem typischen Massenverfahren flexibel reagieren kann. Als Spezialvorschrift verdrängt § 122 Abs. 1 Satz 3 AO auch § 80 Abs. 3 AO. Das Auswahlermessen kann allerdings fehlerhaft sein. Als Beispiele nennt das FG, wenn die Behörde längere Zeit an den gleichen Bevollmächtigten zugestellt habe oder im Bescheidrubrum und -text selbst von einer Zustellung an den Bevollmächtigten ausgeht. Darüber hinaus kann das Ermessen auf Null reduziert sein, wenn ein Bekanntgabebevollmächtigter klar und unmissverständlich bestellt und bezeichnet wurde. Eine lediglich allgemeine Bevollmächtigung, die nicht ausdrücklich auch die Bekanntgabevollmacht erwähnt (BFH Urteil v. 5.10.2000, VII R 96/99, BStBl 2001 II, S. 86), reicht dazu bereits nicht aus. Erst recht verbleibt es beim Auswahlermessen der Behörde, wenn widersprüchliche Angaben zum Bekanntgabebevollmächtigten gemacht werden. Im Sachverhalt wurde zwar in der Erklärung auf eine Bekanntgabevollmacht verwiesen, aber es wurde weder der konkret Bevollmächtigte genannt noch lag die in Bezug genommene Vollmacht dem FA vor. Wenn aber nach den Angaben des Steuerpflichtigen Zweifel verbleiben, ist die Finanzbehörde nicht verpflichtet, Nachforschungen zur zutreffenden Bevollmächtigung anzustellen.
Hinweis
Das FG hat im Übrigen auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis abgelehnt. Ein Verschulden des Steuerpflichtigen ist anzunehmen, da er sich bei Zweifeln am Inhalt und an den Rechtswirkungen des Bescheides an seinen Berater hätte wenden können. Generell sollte man die Bevollmächtigung - zumindest im Festsetzungsverfahren - unmissverständlich und einheitlich für alle Bescheide gegenüber dem FA offenlegen und sich dies darüber hinaus auch bestätigen lassen. Oft werden neue oder geänderte Bekanntgabebevollmächtigungen zunächst von der Behörde ignoriert. Da die AO der Behörde im Festsetzungsverfahren hinsichtlich des Bekanntgabeadressaten ein Auswahlermessen zubilligt und dieses nur in Ausnahmefällen einschränkt, sollten im Übrigen Wechsel in der Person und im Umfang der Bevollmächtigung sowie nicht eindeutige oder widersprüchliche Angaben dazu in den Erklärungen möglichst vermieden werden.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 10.10.2002, VI 5/01