Tobias Steinhauser, Annette Koll
Wie ein proaktives Lieferantenrisikomanagementsystem etabliert und das beschriebene Framework in der Praxis umgesetzt werden kann, wird im Folgenden anhand eines Projektbeispiels auf Basis der Risikomanagement Operating-Model-Dimension "IT-Systeme" erläutert.
Im Rahmen des Projektes wurden neben den Risikokategorien auch die zu betrachtende Tiefe der Lieferkette definiert. In der Dimension Target-Operating Model wurden Kennzahlen festgelegt, die Organisation optimiert, Gremien eingeführt, Prozesse weiterentwickelt und Mitarbeiter geschult. Um die neuen Prozesse so effizient wie möglich zu gestalten und die Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit mit allen nötigen Informationen zu versorgen, sollte die passende IT-Systemlandschaft geschaffen werden.
Das gemeinsam entwickelte IT-Zielbild des Kunden für das Lieferantenrisikomanagementsystem beinhaltet eine 360°-Datensicht über alle definierten Risikokategorien. Um dies zu erreichen, werden Daten aus drei verschiedenen Datenquellen zentral konsolidiert und aufbereitet.
- Zum einen werden relevante externe IT-Tools und Datenquellen für die Identifikation von Risiken ausgewählt und in die IT-Landschaft integriert. Hierbei handelt es sich um Lösungen, die Informationen zu finanziellen Risiken bereitstellen, um klassische Risikomanagement-Tools sowie um Datenanbieter, die auf Nachhaltigkeitsrisiken spezialisiert sind.
- Des Weiteren ist ein erfolgskritisches Element die Berücksichtigung von Informationen, die direkt durch die Lieferanten übermittelt werden. Diese werden als weitere Datenquelle in der Risikoanalyse zur Erhöhung des Weitblickes in der gesamten Lieferkette eingebunden.
- Als dritte Datenquelle werden insbesondere für die Risikobewertung ergänzend interne Informationen des herangezogen, sodass für diese Datenquelle bestehende Lösungen zur Datenbereitstellung angebunden werden und die Prozessbeteiligten Input liefern. Insbesondere geht es hierbei um offene Bestellungen, Produktionsplandaten und Bedarfsplandaten.
Die Kombination aus internen und externen Daten ist der Schlüssel für eine fundierte Bewertung identifizierter Risiken und legt den Grundstein für die Ableitung richtiger Maßnahmen. Die konsolidierten und aufbereiteten Daten werden im Rahmen der Risikomanagementprozesse verwendet (siehe Abb. 4). Hierbei wird den Anwendern ein Dashboard mit allen relevanten Informationen zur Verfügung gestellt. Dieses Dashboard ist flexibel und bietet unterschiedliche Sichten für das Top-Management und die operativen Einheiten. Ebenso steht eine App zur Verfügung, welche die definierten Prozesse in Form eines Workflows unterstützt und die Einbindung der richtigen Stakeholder zum richtigen Zeitpunkt sicherstellt. Eine Anwendung, welche neben einer Mitteilungsfunktion auch bereits konkrete Prognosen über die Auswirkung von Ereignissen zur Verfügung stellt, unterstützt das Unternehmen im Hinblick auf schnelle Reaktionsfähigkeiten. Die Prognosen werden mittels Algorithmen und künstlicher Intelligenz erstellt und kontinuierlich weiterentwickelt. Eine weitere App schlägt konkrete Handlungsempfehlungen auf zu erwartende bzw. bereits eingetretene Risiken vor. Ziel ist es hierbei die Anwender bei der Reaktion auf Ereignisse bestmöglich zu unterstützen und unterschiedliche Handlungsoptionen bereit zu stellen. So soll nicht nur Zeit gewonnen werden, es sollen faktenbasierte Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.
Abb. 4: Illustratives Lieferantenrisikomanagement IT-Zielbild
Durch die gewonnene Datentransparenz über Risiken können die Entscheidungen und Aktivitäten des Kunden entlang des Risikomanagementprozesses beschleunigt und ein kontinuierliches Monitoring etabliert werden. Denn durch die zentrale Aufbereitung der Daten schafft es der Kunde, die Risiken früher zu erkennen, deren Auswirkungen objektiv zu bewerten und die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen sicherzustellen. Ebenso wird die Zusammenarbeit aller erforderlicher Funktionen und Einheiten aktiv unterstützt.