Häufig nehmen Arbeitnehmer den ihnen zustehenden Jahresurlaub bis zum Bilanzstichtag nicht vollständig in Anspruch. Das bilanzierende Unternehmen muss dann im Zuge der Aufstellung des Jahresabschlusses für noch nicht genommene Urlaubstage eine sog. Urlaubsrückstellung bilden. Denn wenn Arbeitnehmer ihren bezahlten Urlaub noch nicht vollständig in Anspruch genommen haben, begründet dies einen Erfüllungsrückstand, der als Verbindlichkeitsrückstellung zwingend zu passivieren ist.[1] Mit anderen Worten: Der Arbeitnehmer hat im abgelaufenen Geschäftsjahr an mehr Tagen gearbeitet als er nach seinem Arbeitsvertrag hätte arbeiten müssen, er hat nicht alle ihm zustehenden Urlaubstage in Anspruch genommen. Daher sind diese zu bewerten und am Bilanzstichtag in Form einer Rückstellung (gewinnmindernd) zu berücksichtigen.

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung ist, dass am Bilanzstichtag noch ein Anspruch auf Urlaub oder Barabgeltung besteht "oder das Unternehmen ungeachtet der rechtlichen Regelung beabsichtigt, den rückständigen Urlaub zu gewähren oder abzugelten"[2].

Die Bewertung von Urlaubsrückstellungen ist umstritten:

  • So sieht der BFH in der Urlaubsrückstellung eine Geldleistungsverpflichtung, die danach zu bewerten ist, was der Bilanzierende am Bilanzstichtag aufwenden müsste, um diese Schuld am Bilanzstichtag zu begleichen.[3]
  • Hingegen sieht das handelsrechtliche Schrifttum die Urlaubsrückstellung mehrheitlich als eine "Verpflichtung zur Freizeitgewährung im Folgejahr"[4], die danach zu bewerten ist, was das Unternehmen im folgenden Jahr aufwenden müsste, um diese Schuld gegenüber den Mitarbeitern zu begleichen.

Aus diesen beiden unterschiedlichen Sichtweisen ergeben sich wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Bewertung von Urlaubsrückstellungen.

Für die Steuerbilanz ist die Auffassung des BFH maßgebend. Folgt man für die handelsrechtliche Bilanzierung dem handelsrechtlichen Schrifttum, so ergeben sich Unterschiede zwischen der Handels- und Steuerbilanz. Beide Sichtweisen werden im Folgenden erläutert, wobei der dargestellten handelsrechtlichen Vorgehensweise insbesondere die Rechtsauffassung des IDW zugrunde liegt.[5]

[2] WP-Handbuch, 17. Aufl. 2020, Abschn. F, Rz. 684.
[3] Vgl. BFH, Beschluss v. 29.1.2008, I B 100/07 (NV), veröffentlicht am 30.4.2008.
[4] Schubert, Beck'scher Bilanzkommentar, § 249 HGB, 12. Aufl. 2020, Rz. 100.
[5] Vgl. IDW, Bilanzsteuerrechtliche Behandlung der Verpflichtung zur Gewährung von Jahresurlaub, WPg 1992, S. 330 f.

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