Leitsatz
Ein Versicherungsmakler, der zur Betreuung von Verträgen verpflichtet ist, ohne hierfür eine laufende Vergütung zu erhalten, hat für die Betreuungsaufwendungen eine Rückstellung zu bilden.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Gesellschaft, die als Versicherungsmakler tätig ist, erhielt von den Versicherungsgesellschaften zumindest teilweise nur eine Einmalprovision. Eine laufende Bestandsprovision wurde nicht gezahlt. Aufgrund vertraglicher Verpflichtungen war die Klägerin aber zur Erbringung einer Anzahl von laufenden Betreuungsleistungen verpflichtet. Für die zu erwartenden Aufwendungen, die mit diesen Leistungen im Zusammenhang stehen, bildete die Klägerin eine Rückstellung für Vertragserfüllung. Diese wurde von der Finanzverwaltung nicht anerkannt. Dagegen erhob die Klägerin Einspruch und verwies hierzu auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 28.7.2004, XI R 63/03, BStBl 2006 II S. 866). Der Beklagte wies den Einspruch zurück und stützte sich hierbei auf einen Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung zum Urteil des BFH (BMF, Schreiben v. 28.11.2006, BStBl 2006I S. 765). Nach Zurückweisung des Einspruchs wurde Klage erhoben.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab der Klage vollständig statt. Es führt aus, dass die Klägerin die Rückstellung für Betreuungsleistungen zu bilden habe. Dies ergebe sich aus § 5 Abs. 1 EStG und § 249 Abs. 1 HGB. Hier liege eine ungewisse Verbindlichkeit vor. Die Klägerin sei zur künftigen Betreuung der Kunden rechtlich verpflichtet, eine Vergütung werde hierfür laufend nicht erbracht. Zurückgewiesen wurde insbesondere der Einwand der Finanzverwaltung, die Bildung der Rückstellung sei wegen Geringfügigkeit bzw. fehlender Wesentlichkeit zu unterlassen. Eine solche Einschränkung für die Rückstellungsbildung ergebe sich weder aus den gesetzlichen Grundlagen in EStG und HGB noch aus der Rechtsprechung des BFH. Die Zulassung der Revision erfolgte nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf den Nichtanwendungserlass des BMF zu dem Urteil des BFH v. 28.7.2004 (XI R 63/03, BStBl 2006 II S. 866).
Hinweis
Die Entscheidung bestätigt die zutreffende Rechtsauffassung des Klägers. Nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 Abs. 1 HGB und 5 Abs. 1 EStG (vgl. Frotscher, EStG, § 5 EStG Tz. 335ff.) war hier eine Rückstellung für die zu erwartenden Kosten zu bilden, da der Kläger für die Betreuung der Kunden keine laufenden Leistungen erhielt. Ob allerdings die Voraussetzung der Wesentlichkeit für die Rückstellungsbildung existiert - wie das Finanzamt behauptet hat - ist durchaus nicht völlig unstrittig (bejahend etwa Frotscher, EStG, § 5 EStG Tz. 361; anders etwa Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, §§ 4,5 EStG Tz. 869). Aus dem Gesetz lässt sich eine solche Voraussetzung nicht ableiten. Darüber hinaus verdeutlicht das Urteil aber auch, was für ein steiniger Weg zum Recht ein Steuerpflichtiger vor sich hat, wenn die Finanzverwaltung zu einer Vorentscheidung einen sog. Nichtanwendungserlass erlassen hat. Obwohl das Urteil des BFH aus 2004 einen ähnlichen Fall betraf, war der Kläger doch verpflichtet, erneut bis vor den BFH zu ziehen, da sich die Finanzverwaltung schlicht weigerte, die Auswirkungen des ersten Urteils zu akzeptieren.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 02.12.2008, 9 K 4216/07 K