Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Erhebung von Vollstreckungskosten aus der Öffnung der Wohnungstür eines Vollstreckungsschuldners. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Pfändungs- und Einziehungsverfügung)
Leitsatz (redaktionell)
Bittet eine österreichische Stadt das Wohnsitz-FA eines Vollstreckungsschuldners um Vollstreckung eines wegen der fehlenden Entrichtung von Parkgebühren ergangenen Straferkenntnisses und öffnet der Vollstreckungsbeamte nach nicht freiwilliger Öffnung der Wohnungstür durch den Vollstreckungsschuldner diese im Rahmen der Ausführung der Zwangsvollstreckung, ist die Pfändung und Einziehung der im Rahmen der Öffnung der Wohnungstür entstandenen Vollstreckungskosten nicht rechtmäßig, wenn sich die für die Durchsuchung erforderliche richterliche Anordnung nur auf den Vollstreckungsauftrag eines von der Staatsoberkasse ersuchten anderen FA nicht den der Stadt bezieht.
Normenkette
AO 1977 § 344 Abs. 1 Nrn. 3, 5, § 339 Abs. 1 Nr. 2, § 287 Abs. 4 S. 3, § 285 Abs. 2; GG Art. 13 Abs. 2
Tenor
I. Die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.05.2002 (Geschäftszeichen Pf ) wird in Höhe von 68,59 EUR aufgehoben.
II. Im übrigen werden die Anträge abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Pfändung und Einziehung von Vollstreckungskosten aus der Öffnung der Wohnungstüre des Antragstellers durch einen Beauftragten des Antragsgegners sowie um die Verwertbarkeit des Wissens des Antragsgegners über ein Konto des Antragstellers bei der Postbank B..
Am 27.04.2000 verhängte der Magistrat der österreichischen Stadt S. gegen den Antragsteller (nachfolgend: ASt) wegen Parkens ohne Entrichtung einer Parkgebühr eine „Verwaltungsstrafe” in Höhe von umgerechnet 109,45 DM (Bl. 15-18 der Nachheftung der Vollstreckungsakte).
Mit Schreiben vom 11.01.2001 wandte sich die Stadt S. an den Antragsgegner (das Finanzamt -FA-), in dessen Zuständigkeitsbereich der ASt wohnt, und bat unter Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.05.1988 um die Vollstreckung des Straferkenntnisses vom 27.04.2000 in Höhe von 129,34 DM (Bl. 12 der Nachheftung der Vollstreckungsakte). Dieses Amtshilfeersuchen wurde von dem FA unter dem Aktenzeichen AHE 98/01/2 geführt (Bl. 73 der Vollstreckungsakte).
Die Staatsoberkasse B. wandte sich mit Schreiben vom 15.05.2001 mit einem Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt R.. Es sollten gegen den ASt Gerichtsgebühren des Bayrischen Verwaltungsgerichts München in Höhe von 245 DM vollstreckt werden. Dieser Betrag sei fällig am 19.03.2001 und sei am 17.04.2001 angemahnt worden. Am 15.05.2001 sei die Ankündigung der Vollstreckung an den Schuldner versandt worden (Buchungskennzeichen, Bl. 82 der Vollstreckungsakte). Am 10.09.2001 ging bei dem FA ein Vollstreckungsersuchen des Finanzamtes R. ein (das Datum ist in der Akte nicht leserlich). Unter Verweisung auf das Schreiben der Staatsoberkasse B. vom 15.05.2001 ersuchte es das FA, 245 DM zuzüglich weiterer 18 DM, mithin 263 DM, bei dem ASt zu vollstrecken (Aktenzeichen des Finanzamtes R.: ). Dieses Amtshilfeersuchen wurde von dem FA unter dem Aktenzeichen geführt (Bl. 77 der Vollstreckungsakte).
Der Vollziehungsbeamte des FA, Herr B., hielt in einem Aktenvermerk vom 08.11.2001 zu den Vollstreckungsersuchen aus S. und R. folgende Begebenheit fest:
Am 30.11.2001 beantragte das FA bei dem Amtsgericht C. eine richterliche Durchsuchungsanordnung nach § 287 der Abgabenordnung (AO). Das Amtsgericht C. erließ am 19.12.2001 unter dem Aktenzeichen 36 s M 7212/01 eine Durchsuchungsanordnung gegen den ASt. Diese lautete wie folgt:
„Auf Grund des
Vollstr.ersuchen des FA R. vom 17.09.2001 Az:
Vollstr.ersuchen Staatsoberk. R. v 15.05.2001 Az:
wird der Gerichtsvollzieher/Vollstreckungsbeamte gemäß § 287 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 2 GG befugt, in Ausführung der Zwangsvollstreckung die Wohnung bzw. die Geschäftsräume und die Behältnisse des Schuldners zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert.
Gleichzeitig wird dem Gerichtsvollzieher/Vollstreckungsbeamten die Öffnung verschlossener Haus- und Zimmertüren gestattet.
Diese Ermächtigung wird auf den Zeitraum von 6 Monaten beschränkt.
Entscheidungsgründe
Diese Anordnung ist zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erforderlich, weil der Schuldner der Durchsuchung ohne sachlichen Grund widersprochen hat.” (Bl. 67 der Vollstreckungsakte).
Am 05.02.2002 erschien der Vollziehungsbeamte des FA bei dem ASt. Da dieser nicht zu Hause war, ließ das FA durch einen Schlosser die Wohnung des ASt öffnen...