rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners durch Nacherhebungsbescheid bei Verletzung der Abzugspflicht. Ermessen des FA bei nicht mehr exisitierender ausländischer Vergütungsgläubiger

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zwar kann bei einer Verletzung der Abzugspflicht der Vergütungsschuldner entweder durch Haftungsbescheid oder durch Nacherhebungsbescheid in Anspruch genommen werden. Aber auch bei dem Nacherhebungsbescheid handelt es sich materiell-rechtlich um die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs. Daraus folgt, dass auch im Nacherhebungsverfahren die gesetzlichen Voraussetzungen der Haftung erfüllt sein müssen, wozu auch eine pflichtgemäße Ermessensprüfung gehört.

2. Es ist ermessensfehlerhaft, den Schuldner von Entgelten für die einer Maschine durch Nacherhebungsbescheid für nicht angemeldete Steuerabzugsbeträge in Anspruch zu nehmen, wenn der ausländische Vergütungsgläubiger nicht mehr existiert.

 

Normenkette

EStG § 49 Abs. 1 Nr. 9, § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 3, Abs. 5; EStDV § 73g; AO §§ 167, 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.12.2012; Aktenzeichen I R 80/11)

 

Tenor

Der Bescheid über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG für 2000, 2001, 2002, 2003 vom 20.4.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.7.2007 wird aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Steuerbescheid über die Festsetzung eines Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin betreibt unter anderem die Herstellung und den Handel von Folienschläuchen für die Landwirtschaft. Sie schloss am 1.3.1997 einen am 14.6.1998 geänderten Maschinenmietvertrag mit der amerikanischen Gesellschaft A. International Ltd. … mit Sitz in … /USA (A.) über die Nutzung einer Folienfaltmaschine und zahlte dafür an die A. Nutzungsentgelte. Am 30.6.2003 endete das Mietverhältnis, weil die Klägerin die Faltmaschine zwischenzeitlich von der A. erworben hatte. Nach Nr. 9 des Vertrages sollte die A. innerhalb der EU alle auf die Mietmaschine erhobenen Steuern zahlen. Die Mietzahlungen erfolgten ohne Steuerabzug. Sie wurden in den USA der Ertragsbesteuerung unterworfen. Die A. wurde im November 2004 an eine andere US-Firma verkauft, abgewickelt und am 7.12.2005 in den Registern der USA endgültig gelöscht.

In der Zeit vom 13. bis 21.10.2005 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2003 statt. Nach deren Auffassung unterliege die A. mit den Einkünften aus der Vermietung beweglicher Wirtschaftsgüter der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG), wobei die Einkommensteuer nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG im Wege des Steuerabzugs zu erheben sei. Die Prüfer stellten fest, dass eine Freistellungsbescheinigung des Bundesamtes für Finanzen für die Befreiung der Maschinenmieten vom Steuerabzug gemäß § 50d Abs. 3 EStG nicht vorlag, die Mietzahlungen in den vorgelegten Bilanzen der A. verbucht und der Besteuerung in den USA zugrunde gelegt wurden.

Dem Prüfungsbericht ist weiter zu entnehmen, dass nach Auskunft des Geschäftsführers der Klägerin die Geschäftsleitung der A. nicht dazu bewegt werden konnte, noch vor der Löschung Anträge auf Erstattung der Abzugssteuern zu stellen. Die damaligen Vertreter der A. hatten erklärt, sie würden nicht mehr handeln und auch keine Ansprüche nach § 50d EStG abtreten, da die Abmeldung der Gesellschaft bereits beantragt sei.

Mit Schreiben vom 5.3.2007 gab das Finanzamt der Klägerin im Rahmen der Anhörung nach § 91 Abgabenordnung (AO) Gelegenheit, bis zum 20.3.2007 die Steuern nachzumelden und die Steuerabzugsbeträge an die Finanzkasse zu entrichten, andernfalls werde die Steuer durch Haftungsbescheid gemäß § 50a Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 73g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) und § 191 AO angefordert. Die Klägerin übersandte daraufhin eine „Dokumentation” zum Nachweis, dass die Zahlungen an die A. der amerikanischen Besteuerung unterworfen wurden, und vertrat die Auffassung, dass sie keine Steueranmeldung abgeben müsse, da der Bundesrepublik Deutschland kein Schaden entstanden sei.

Am 20.4.2007 nahm das Finanzamt die Klägerin mit einem „Bescheid über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG” unter Hinweis auf § 167 AO wegen unterbliebener Abgabe einer Steueranmeldung durch Steuerabzug und unter Bezugnahme auf das Zahlenwerk im Betriebsprüfungsbericht wie folgt in Anspruch:

Jahr

2000

2001

2002

2003

Vergütung

(208.918 DM)

106.818,08 EUR

(286.430 DM)

146.449,33 EUR

155.173 EUR

143.863 EUR

Steuerabzug

(86.034 DM)

43.988,49 EUR

(119.673 DM)

61.187,83 EUR

52.690 EUR

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