Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe einer Steuererklärung. Ermessen. Nachholung der Begründung in der Einspruchsentscheidung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 1/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Abgabe einer Steuererklärung nach Ablauf der bereits verlängerten Abgabefrist ist nicht entschuldbar, wenn der Steuerpflichtige zur Begründung der Verspätung nur allgemein auf eine hohe Arbeitsbelastung und zeitliche Engpässe in der Kanzlei seines Bevollmächtigten verweist und von der Möglichkeit, eine weitere Verlängerung der Abgabefrist zu beantragen, kein Gebrauch gemacht wurde.
2. Behördliche Ermessensentscheidungen sind regelmäßig zu begründen, da nur anhand der Begründung beurteilt werden kann, ob die Behörde ihr Ermessen und dessen gesetzliche Grenzen erkannt und dem Zweck der Ermächtigung entsprechende Ermessenserwägungen angestellt hat.
3. Lässt sich eine Ermessensausübung beim Erlass des Ausgangsbescheids nicht erkennen, führt dies zur Rechtswidrigkeit, nicht jedoch zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts.
4. Die Begründung der Ermessensentscheidung kann in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden.
Normenkette
AO § 152 Abs. 1, §§ 5, 121 Abs. 1, §§ 124, 125 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger reichte seine Umsatzsteuerjahreserklärung 2020 am 30.01.2023 ein, obwohl die Abgabefrist gemäß Art. 97 § 36 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a EGAO i.d.F. des vierten Corona-Steuerhilfegesetzes abweichend von § 149 Abs. 3 Nr. 4 AO am 31.08.2022 abgelaufen war. Die Erklärung endete mit einem Erstattungsbetrag in Höhe von 7.333,41 EUR, nachdem in Summe ein Erstattungsbetrag in Höhe von 7.165,27 EUR vorangemeldet worden war. Mit Mitteilung vom 13.02.2023 stimmte der Beklagte der Umsatzsteuerjahreserklärung zu.
Mit Bescheid vom 27.03.2023 setzte der Beklagte einen Verspätungszuschlag in Höhe von 125 EUR fest. In den Erläuterungen heißt es: „Es wurde ein Verspätungszuschlag festgesetzt, weil ihre Steuererklärung/Steueranmeldung erst am 30.01.2023 eingegangen ist. Die Abgabefrist ist am 31.08.2022 abgelaufen.”
Dagegen legte der Kläger am 29.03.2023 Einspruch ein. Aus der Erläuterung des Verspätungszuschlags im Bescheid vom 27.03.2023 sei zu schließen, dass ein pauschalierter Verspätungszuschlag gemäß § 152 Abs. 2 AO festgesetzt worden sei. Das aber sei nach § 152 Abs. 3 Nr. 3 AO unzulässig, weil es zu keiner Nachzahlung gekommen sei. Sollte es sich jedoch um einen nach § 152 Abs. 1 AO festgesetzten Verspätungszuschlag handeln, wäre dies ebenfalls rechtswidrig, da Ermessenserwägungen nicht ersichtlich seien und auch unberücksichtigt geblieben sei, dass sich ein erheblicher Erstattungsbetrag ergebe. Hierzu werde auf das BFH-Urteil vom 18. August 2015 V R 2/15 und das dort zitierte BFH-Urteil vom 15. März 2007 VI R 29/05 und die sich daraus ergebenden Begründungserfordernisse hingewiesen. Im Erstattungsfall sei das Ermessen nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO vorab auszuüben. Solle deshalb ein neuer Verspätungszuschlag gemäß § 152 Abs. 1 AO festgesetzt werden, müsse ein neuer Bescheid ergehen. Vorsorglich werde die verspätete Einreichung der Jahreserklärung mit der Arbeitslage in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen der Corona-Belastungen und der Belastungen durch die Grundsteuer-Kampagne entschuldigt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 19.06.2023 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkomme, könne nach § 152 AO ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung sei abzusehen, wenn der Erklärungspflichtige glaubhaft mache, dass die Verspätung entschuldbar sei; das Verschulden eines Vertreters oder Erfüllungsgehilfen sei dem Erklärungspflichtigen zuzurechnen. Diesen gesetzlichen Vorgaben werde der unter dem 27.03.2023 festgesetzte Verspätungszuschlag gerecht. Die Abgabefrist sei im Streitfall um fünf angefangene Monate überschritten worden. Trotz fachkundiger Beratung sei eine Fristverlängerung nicht beantragt worden. Eine schriftliche Erinnerung an die Erklärungsabgabe vom 04.10.2022 sei kommentarlos ignoriert worden. Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Verspätung entschuldbar erscheine. Es sei nur allgemein auf Personalausfälle wegen Corona sowie auf die Grundsteuer-Kampagne verwiesen worden. Der allgemeinen Mehrbelastung der steuerberatenden Berufe durch die Corona-Pandemie sei aber nach dem Willen des Gesetzgebers bereits durch die Verlängerung der Abgabefrist vom letzten Tag des Monats Februar auf den 31.08. des zweiten auf den Veranlagungszeitraum folgenden Jahres Rechnung getragen worden. Es sei nicht dargelegt worden, dass der Bevollmächtigte des Klägers durch die Corona-Pandemie spürbar härter getroffen worden sei als die übrigen Mitglieder seines Berufsstandes. Gleiches gelte für die „Grundsteuer-Kampagne”. Gegebenen...