Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung des umsatzsteuerlichen Lebensmittel-Eigenverbrauchs des Inhabers einer Gaststätte. Umsatzsteuer 1994 und steuerlichen Nebenleistungen
Leitsatz (redaktionell)
Fehlen schlüssige und nachvollziehbare Aufzeichnungen des Inhabers einer Gaststätte zum Eigenverbrauch an Lebensmitteln und muss der Eigenverbrauch deswegen geschätzt werden, sind die von Verwaltung anhand von Richtsatzprüfungen und Erfahrungswerten festgelegten Jahrespauschbeträge (hier für das Streitjahr 1994: in BStBl I 1994, 109) eine brauchbare Schätzungsmethode (hier: zeitanteilige Berücksichtigung der Pauschbeträge wegen Betriebsaufgabe im Streitjahr; keine Berücksichtigung von Familienmitgliedern, die nachweislich – wegen Haftstrafe bzw. auswärtiger Berufsausbildung – nicht im Gaststättenbetrieb mitverpflegt wurden).
Normenkette
UStG 1994 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 22; AO § 162 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 2
Tenor
1. Unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 15.10.2001 wird die Umsatzsteuer 1994 auf ./. 31,– DM (umzurechnen in Euro) festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den erklärten Umsätzen der Klägerin ein Eigenverbrauch von Gegenständen und sonstigen Leistungen hinzuzurechnen ist.
Die Klägerin, die im Streitjahr verheiratet war und zwei Kinder hat, betrieb in der Zeit vom 01.07.1990 bis zum 15.07.1994 eine Gaststätte. Danach nahm sie eine Tätigkeit in Düsseldorf auf; ihr Mann befand sich 1994 in einer Haftanstalt in B. Im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung 1994 erhöhte der Beklagte (das Finanzamt – FA–) die erklärten Umsätze um einen Eigenverbrauch von Gegenständen und sonstigen Leistungen. Bei der Berechnung des Eigenverbrauchs legte es die in dem BMF-Schreiben vom 10.01.1994, BStBl. II 1994, 109 bekanntgegebenen Jahreswerte für die Gewerbeklasse „Gast- und Speisewirtschaft mit Abgabe von kalten und warmen Speisen” für zwei Erwachsene und jeweils den halben Pauschbetrag für zwei Kinder zugrunde. Der gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 10.11.1995 eingelegte Einspruch der Klägerin führte zu einer Verböserung. Das FA vertrat im Verwaltungsverfahren die Auffassung, dass das eine Kind der Klägerin, welches älter als 12 Jahre war, nicht nur zur Hälfte, sondern in voller Höhe bei der Berechnung des Eigenverbrauchs zu berücksichtigen sei. In der Einspruchsentscheidung vom 22.01.1998 wurde die Umsatzsteuer 1994 daher auf 752,– DM festgesetzt und der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 13.02.1998 Klage erhoben. Im Rahmen des Klageverfahrens schloss sich der Beklagte der Auffassung des Gerichts, dass die Pauschbeträge für Sachentnahmen wegen der Aufgabe der Gaststätte ab Juli 1994 nur zeitanteilig anzusetzen sind und der Ehemann der Klägerin wegen seiner Haftstrafe unberücksichtigt bleiben muss, an. Mit Änderungsbescheid vom 15.10.2001 reduzierte er die Umsatzsteuer auf 155,– DM.
Die Klägerin hält an der Klage fest. Sie trägt vor, der Eigenverbrauch sei zumindest noch um den Teil, der für ihren Sohn A. angesetzt worden sei, zu reduzieren. Dieser habe sich im gesamten Streitjahr im Internat der Oper in L. aufgehalten und sei dort verpflegt worden. An den Wochenenden sei er bei seinen Großeltern gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Änderungsbescheid vom 15.10.2001, in dem die Umsatzsteuer 1994 auf 155,– DM festgesetzt wurde, zu ändern und dabei die Umsatzsteuer aus einer Bemessungsgrundlage festzusetzen, ohne Ansatz eines Eigenverbrauchs für den Sohn A.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, die Klägerin habe den Aufenthalt ihres Sohnes A. im Jahr 1994 in L. nicht nachgewiesen. Allein die Angabe über das Vorliegen dieses Sachverhaltes genüge der erforderlichen Glaubhaftmachung nicht.
Am 14.08.2002 hat in dieser Streitsache eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Wegen weiterer Sachverhaltseinzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Steuerakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Umsatzsteuer 1994 war ohne den Ansatz eines Eigenverbrauchs für den Sohn A. der Klägerin festzusetzen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich dieser im Streitjahr in L. zur Ausbildung in einem Internat aufgehalten hat und nicht im Gaststättenbetrieb der Klägerin verpflegt wurde.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG) ist Eigenverbrauch umsatzsteuerpflichtig. Dabei liegt Eigenverbrauch u.a. dann vor, wenn ein Unternehmer aus seinem Unternehmen Gegenstände für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass für eine Gaststätte bezogene Lebensmittel und Getränke auch selbst bzw. f...