rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Elternteil bei gemeinsam mit den Großeltern unterhaltenem Familienhaushalt vorrangig kindergeldanspruchsberechtigt
Leitsatz (redaktionell)
1. Leben Kinder in einem gemeinsam von einem Elternteil und den Großeltern unterhaltenen Familienhaushalt, wird das Kindergeld gemäß § 64 Abs. 2 S. 5 1. HS EStG auch dann vorrangig dem Elternteil ausgezahlt, wenn der Elternteil infolge seiner auswärtigen Berufstätigkeit eine weitere Wohnung hat und die Kinder nur in regelmäßigen Abständen besuchen kann.
2. Bei Aufnahme der Kinder in einen von Eltern und Großeltern gemeinsam unterhaltenen Haushalt kommt es für die kindergeldrechtliche Zurechnung der Kinder nicht darauf an, wer sich mehr um die Kinder gekümmert hat, wer also z. B. die umfangreicheren, intensiveren oder etwa qualitativ hochwertigeren Betreuungsleistungen erbracht haben könnte und woran dieses im Einzelnen zu messen wäre.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 64 Abs. 2 Sätze 1, 5
Tenor
1. Der Aufhebungsbescheid über Kindergeld vom 3. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2008 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist die Haushaltszugehörigkeit der Kinder der Klägerin.
Die Klägerin bezog Kindergeld für ihre Kinder L., geboren am 1999, und F., geboren am 2002. Sie war mit Hauptwohnsitz in G., P., gemeldet. Die Kinder waren dort ebenfalls gemeldet. Es handelt sich um das Haus der Großeltern der Kinder, in der die Klägerin nach eigenen Angaben zwar keine abgeschlossene Wohnung unterhielt, gleichwohl aber anteilig Miete zahlte. Das Wohnhaus verfüge – so die Klägerin – über drei Etagen. In der unteren Etage befinde sich das gemeinsame Wohnzimmer und die gemeinsame Küche. In der ersten Etage befänden sich die zwei Kinderzimmer, das Zimmer der Klägerin sowie das gemeinsam genutzte Badezimmer. In der dritten Etage seien Abstellräume, die ebenfalls gemeinsam genutzt würden. Das Kinderzimmer von L. werde von den Großeltern gemeinsam mit L. als Schlafzimmer genutzt. Im Jahr 2008 hatte die Klägerin außerdem eine als solche deklarierte Nebenwohnung in der M. Straße … in K.. Dort war die Klägerin berufstätig.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. April 2008 hob die Beklagte die Kindergeldbewilligung für L. und F. gegenüber der Klägerin mit Wirkung ab April 2008 auf. Die Großmutter habe die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen und daher den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld. Mit ihrem Einspruch trug die Klägerin vor, sie sorge für den materiellen Unterhalt der Kinder. Die Betreuung der Kinder erfolge aufgrund einer Absprache zwischen ihr und der Großmutter der Kinder. Die Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 26. Mai 2008 zurück.
Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, auch sie lebe in G. mit den Kindern zusammen. Es handele sich um den gemeinsamen Haushalt der Klägerin, ihrer Kinder sowie der Großeltern. Da sie keinen Verzicht auf das Kindergeld erklärt habe, stehe dieses ihr zu. Sie stellte die materielle Versorgung der Kinder sicher, indem sie für die Miete aufkomme, Unterhalt zahle und regelmäßig Bekleidung für beide Kinder mitbringe. Soweit es ihr möglich sei, besuche sie die Kinder in regelmäßigen Abständen. Allerdings vereitele die Großmutter Besuche der Klägerin sowie telefonische und briefliche Kontaktversuche des Öfteren.
Die Klägerin beantragt,
den Aufhebungsbescheid vom 3. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe kein zeitlich umfangreiches Betreuungs- und Erziehungsverhältnis nachgewiesen. Sie halte sich offensichtlich überwiegend in K auf. Ein gemeinsamer Haushalt der Klägerin, der Kinder und der Beigeladenen liege nicht vor.
Das Gericht hat die Großmutter der Kinder auf Antrag der Beklagten zum Verfahren beigeladen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Beklagte hat sodann später mündliche Verhandlung beantragt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zum Streitfall übergebene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Beklagte durfte die Kindergeldfestsetzung nicht zu Lasten der Klägerin aufheben.
Gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten. Eine solche Änderung ist im Streitfall nicht eingetreten.
Die Klägerin kann für L. und F. nach Maßgabe von §§ 62, 63 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG Kindergeld beanspruchen, da beide Kinder im ersten Grad von ihr als Mutter abstamm...