rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschüttung der über mehrere Jahre thesaurierten Gewinne einer Kapitalgesellschaft ist beim Gesellschafter nicht als Vergütung für mehrjährige Tätigkeit ermäßigt zu besteuern
Leitsatz (redaktionell)
1. Sinn und Zweck der Regelung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist es, bei zusammengeballten Vergütungen aus einer gewerblichen, freiberuflichen oder unselbständigen Tätigkeit die Tarifprogression zu mildern und zu erreichen, dass die steuerliche Belastung für Einkünfte, die dem Steuerpflichtigen in einem Veranlagungszeitraum für die Tätigkeit mehrerer Jahre zufließen, möglichst nicht höher wird, als wenn ihm in jedem Jahr ein Anteil hiervon zugeflossen wäre.
2. Die Anwendung von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG setzt weiter voraus, dass ein ungewöhnlicher oder atypischer Sachverhalt vorliegt, der zu einer Zusammenballung von Einkünften geführt hat. An diesem Merkmal fehlt es bei einer Gewinnausschüttung.
3. Eine Gewinnausschüttung unterliegt auch dann nicht der Regelung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, wenn es sich um die im Rahmen der Auseinandersetzung der Gesellschafter beschlossene Vollausschüttung der in den Vorjahren thesaurierten Gewinne der Kapitalgesellschaft handelt.
Normenkette
EStG 1997 § 34 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens fallen den Klägern zur Last.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anwendung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG in Verbindung mit § 34 Abs. 1 EStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2001.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr gemäß §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger zu 1) war bis zum 15. Dezember 2000 einer von fünf Gesellschaftern der AIA GmbH (GmbH) und war dort angestellt tätig. Er erhielt von der GmbH im Streitjahr eine Gewinnausschüttung in Höhe von … DM, die unstreitig zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG zählt. In ihrer Einkommensteuererklärung 2001 begehrten die Kläger hinsichtlich dieser Gewinnausschüttung die Anwendung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG in Verbindung mit § 34 Abs. 1 EStG. Der Beklagte verweigerte diese und setzte mit Einkommensteuerbescheid vom 24. März 2003 die Einkommensteuer ohne Anwendung der ermäßigten Besteuerung fest.
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 24. März 2003 legten die Kläger am 9. April 2003 Einspruch ein und führten zur Begründung aus, die Ausschüttung sei der ermäßigten Besteuerung zu unterwerfen. Die Gesellschafter der GmbH hätten beschlossen, die in den Jahren 1995 bis 1999 thesaurierten Gewinne und den Gewinn des Jahres 2000 voll auszuschütten, um das Ausscheiden von 4 Gesellschaftern dem verbleibenden Gesellschafter finanziell zu ermöglichen. Bei der Ausschüttung handele es sich um eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit als Gesellschafter der GmbH, auf die die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG i.V.m. Abs. 1 EStG anzuwenden sei. Die Gesellschaftertätigkeit des Klägers zu 1) unterfalle den Rechten und Pflichten, die sich aus § 46 GmbH-Gesetz (GmbHG) ergeben. Nach Auffassung der Kläger begründe die Beteiligung an einer GmbH auch eine Vergütung für die Tätigkeit der Gesellschafter. Sofern die Gesellschafterstellung nicht als mehrjährige Tätigkeit angesehen werden könnte, stelle die Verzinsung des zur Verfügung gestellten Kapitals eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit dar, wobei sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG unter den Zinsbegriff zu subsumieren seien. Die zeitliche Darstellung begründe hierbei eine Zusammenballung von Einkünften. Das von § 34 Abs. 1 EStG geforderte Fehlen eines vertragsgemäßen oder typischen Ablaufes sei in dem Beschluss der Gesellschafter zum Ende des Jahres 2000, die Gesellschaft nicht mehr gemeinsam fortführen zu wollen, zu sehen.
Auf die Anträge der Kläger vom 11. bzw. 15. März 2005 hin änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid dahingehend ab, dass die Einnahmen aus Kapitalvermögen um … DM gemindert wurden und erließ einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid am 22. April 2005, der gemäß § 365 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden ist.
Sodann wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung – ebenfalls vom 22. April 2005 – den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Dabei führte er zur Begründung aus, eine ermäßigte Besteuerung der Gewinnausschüttung der GmbH nach § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5 EStG sei nicht möglich, weil Gewinnausschüttungen vom Katalog dieser Vorschrift nicht umfasst seien. Nach R 200 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2001 seien zwar auch Zinsen von den Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit umfasst, so dass § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG grundsätzlich auch auf Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG angewandt werden könne. Jedoch fehle es hier an der weiteren Voraussetzung der Zusammenballung von Einkünften, die bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nu...