Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldberechtigung bei fast zweijähriger Unterbringung des minderjährigen Kindes in einem Kinderheim
Leitsatz (redaktionell)
1. Dauert die Unterbringung der zuvor im Haushalt der Mutter lebenden minderjährigen Tochter in einem Kinderheim insgesamt fast zwei Jahre, hat die Tochter im kindergeldrechtlich umstrittenen Zeitraum der ersten sechs Monate der Heimunterbringung ihre Mutter zu Hause lediglich an zwei Weihnachtsfeiertagen besucht und gab es davon abgesehen in der übrigen Zeit keine Kontake zwischen Mutter und Tochter und damit auch keine Versorgung, Betreuung und Erziehung durch die Mutter, so war die Tochter in diesen sechs Monaten nicht im Sinne von § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG in den Haushalt der Mutter aufgenommen.
2. In diesem Fall ist der Vater des Kindes vorrangig kindergeldanspruchsberechtigt, wenn er zwar ebenfalls keinen Kontakt zu der Tochter hatte, aber mehr Unterhalt als die Mutter des Kindes gezahlt hat.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um Kindergeld für B, geb. 17.9.1986, ab September 2002.
Die Klägerin bezog für die in ihrem Haushalt lebende Tochter B bis August 2002 Kindergeld. Ab 12.8.2002 ging die damals 16 Jahre alte B in das Kinderheim L.. Nach Darstellung der Klägerin verblieb dieser Schritt als einziger zur Hilfe für die Entwicklung der Tochter, die sich dort auch in ärztliche Behandlung begab. Besuchskontakte zwischen B und dem Elternhaus fanden zunächst nicht statt. Nach einer Auskunft des Heimleiters des Kinder- und Jugendzentrums L in L wurden Besuchskontakte zwischen B und dem Elternhaus zunächst von beiden Seiten abgelehnt und fanden deshalb auch nicht statt. B wurde erstmals an Weihnachten, 24. bis 25.12.2002, zu ihrer Mutter nach Hause beurlaubt; im Monat Januar 2003 fand keine solche Beurlaubung statt. Seit 10.7.2004 befindet sich die Tochter wieder im Haushalt der Klägerin.
Das Jugendamt des Landratsamts F gewährte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe der Tochter seit dem 12.8.2002 Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27ff Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) in Höhe von monatlich 2.577,95 EUR. Es zog die beiden getrennt lebenden Elternteile zum Kostenbeitrag heran und forderte von der Klägerin Unterhaltszahlung von monatlich 21.98 EUR und von dem Vater T, W in K, einen monatlichen Unterhalt von 441 EUR (364 EUR zuzüglich ½ Kindergeld von 77 EUR).
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 30.1.2003 die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab September 2002 auf, da B nicht im Haushalt eines leiblichen Elternteils lebe und der andere Elternteil den überwiegenden Barunterhalt für das Kind leiste. Der dagegen erhobene Einspruch wurde unter Verweis auf die Höhe der Unterhaltsleistungen am 25.3.2003 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin vorträgt: Die angegriffenen Bescheide seien offenkundig fehlerhaft. Neben den hohen Betreuungskosten für die kleinere Tochter (2 Jahre) trage die Klägerin trotz Heimunterbringung ihrer Tochter B alle fortlaufenden Kosten wie sämtliche Versicherungsleistungen, Aufwendungen jeder Natur bei Wochenendbesuchen u.v.m. In den Verwaltungsentscheidungen würden jegliche zahlenmäßigen Angaben fehlen. Bis zur Zeit der Heimunterbringung habe B nur bei ihrer Mutter gewohnt. Trotz Heimeinweisung habe die Haushaltszugehörigkeit zu keinem Zeitpunkt geendet (unter Hinweis auf die Urteile des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. April 2005 Az. 3 K 2592/03 und des Finanzgerichts Köln vom 5. Juni 2002 Az. 10 K 7322/98). Erst zu Weihnachten sei eine Besuchsmöglichkeit gelungen. B habe fortlaufend ihr Zimmer in der Wohnung der Klägerin. Die Verantwortung und Fürsorge der Klägerin für ihre Tochter bestehe auch für die Zeit der Heimunterbringung fort. Sie habe sich gekümmert, aufgeopfert und auf die Suche nach weiterführenden erzieherischen Möglichkeiten gemacht. Sie habe insoweit auch ab September 2002 weitergewirkt. Daher sei sie der vorrangig kindergeldberechtigte Elternteil. Die Leistung des Barunterhalts durch den Vater … falle offenkundig kaum ins Gewicht. Der in Frankfurt … lebende Vater habe erstmals im Herbst 2002 einen Versuch zu näherem persönlichen Kontakt mit seiner Tochter unternommen, der aber wieder abgebrochen sei. B s familiäre Bindungen würden nur zur Klägerin bestehen. B s Aufenthalt im Heim sei eine periodische Maßnahme und könne bei hinreichenden Fortschritten von der Klägerin jederzeit beendet werden. Ein Hilfeplan sei nur über die Dauer von zunächst einem halben Jahr erstellt worden. Es handele sich um eine vorübergehende und nicht um eine dauernde Heimunterbringung. Man könne von einer internatsgleichen Situation sprechen, da B in der Nähe des Heims eine Lehrausbildung in M (25 km vom Haushalt der Klägerin entfernt) verfolge.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 30.1.2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 25.3.2003 aufzuheben...