rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haushaltszugehörigkeit bei widerrechtlicher Heimunterbringung

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt eine Verwaltungsbehörde ein Kind gegen den Willen des Kindergeldberechtigten in Obhut und bringt es in einem Heim unter, bleibt es bei der Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt des Kindergeldberechtigten, wenn sich dieser umgehend und erfolgreich gegen die behördliche Maßnahme wendet

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 1-2, § 70 Abs. 2; AO § 37 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung des Kindergeldes ab April 2000 und die Erstattung von Kindergeld für den Zeitraum von April 2000 bis Oktober 2000.

Die Klägerin ist die Mutter der am 5. Oktober 1983 geborenen M. Für ihre Tochter, die in ihren Haushalt aufgenommen war, bezog die Klägerin Kindergeld. Nachdem zwischen M und der Klägerin persönliche Differenzen aufgetreten waren, wandte sich M an das Jugendamt der Stadt W. Das Jugendamt nahm daraufhin M am 17. März 2000 in Obhut und veranlasste ihre Aufnahme in einer Wohngruppe und die Gewährung von Hilfe nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz - KJHG – (vgl. Bl. 82 Kindergeldakten – KiGA). Die Klägerin war mit der Inobhutnahme nicht einverstanden. Eine Entscheidung des Familiengerichts holte das Jugendamt zunächst nicht ein. Erst mit Beschluss vom 13. November 2000 (1 F 164/00) entzog das Amtsgericht - Familiengericht – W der Klägerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten und das Recht zur Antragstellung auf Hilfe zur Erziehung. Mit Beschluss vom 9. März 2001 - 9 UF 725/00 – (vgl. Bl. 138 ff. KiGA) hob das Oberlandesgericht den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – auf, und stellte fest, dass es keine dem Kindeswohl widersprechenden Gründe gegeben habe, die Jugendliche weiterhin bei ihrer Mutter leben zu lassen. Es sei jedenfalls nicht ausreichend, das die 17-jährige Jugendliche sich von ihrer Mutter bevormundet fühle und es deshalb zu Auseinandersetzungen komme. Die vom Jugendamt genannten Gründe könnten nicht zu einem Entzug der elterlichen Sorge führen. Es möge sein, dass M sich von ihrer Mutter nicht verstanden fühle und diese einen eher strengen Erziehungsstil pflege, der es mit sich bringe, dass der Jugendlichen klare Vorgaben gemacht würden, wann sie zu Hause zu sein habe und sie auch regelmäßig einen Teil der Hausarbeiten verrichten müsse. Diese Anordnungen seien aber durch das Recht der elterlichen Sorge gedeckt. Es gebe auch keinerlei Anhaltspunkte für herabsetzende oder schikanöse erzieherische Anordnungen. Auch der Umstand, dass sich M in der Wohngruppe wohler fühle als bei ihrer Mutter zu Hause, sei nicht ausreichend, der Klägerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen. Anfang November 2000 kehrte M nach einer Aussprache mit der Klägerin kurzfristig in den Haushalt der Klägerin zurück (vgl. die Darstellung des Bevollmächtigten der Klägerin in dem Schriftsatz vom 19. Februar 2002 an das Verwaltungsgericht Mainz, Bl. 145 f. <146> KiGA). Seit August 2001 lebt M wieder bei der Klägerin (vgl. den Vermerk Bl. 88 KiGA).

Mit Bescheid vom 8. August 2003 (vgl. Bl. 207 KiGA) hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für M gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab April 2000 auf und forderte die Klägerin gemäß § 37 Abs. 2 AO auf, das für die Zeit von April 2000 bis Oktober 2000 gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 966,35 € zu erstatten. Zur Begründung heißt es, an die Klägerin könne kein Kindergeld gezahlt werden, weil das Kind nicht im Haushalt der Klägerin lebe. Mit ihrem gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, aufgrund der Entscheidung des OLG stehe fest, dass die Inobhutnahme von M durch das Jugendamt rechtwidrig gewesen sei. Wäre ihre Tochter in ihrem Haushalt geblieben, worum sie zunächst vergeblich gekämpft habe, hätte sie weiterhin rechtmäßigerweise das Kindergeld erhalten. Nachdem nunmehr die Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme feststehe, müsse es bei alledem verbleiben.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16. September 2003 (vgl. Bl. 228 KiGA) wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung heißt es darin: Für jedes Kind werde nach § 64 Abs. 1 EStG nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten erhalte das Kindergeld derjenige, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Mit Haushaltsaufnahme sei das örtlich gebundene Zusammenleben von Kind und Berechtigten in einer gemeinsamen Familienwohnung gemeint. Das Kind müsse in diesem Haushalt persönlich versorgt und betreut werden. Zudem müsse es sich nicht nur zeitweise, sondern durchgängig im Haushalt des Berechtigten aufhalten. Eine räumliche Trennung stehe der Haushaltsaufnahme dann nicht entgegen, wenn die auswärtige Unterbringung vorübergehender Natur sei. Von einem vorübergehenden Zustand könne im allgemeinen nur ausgegangen werden, wenn ein Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten regelmäßig in den Haushalt des Berechtigten zurückkehre. Durch eine zeitweilige Unterbringun...

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