Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung von Zahlungen der vormaligen Organträgerin für eine Organgesellschaft. keine Berichtigung der Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter der vormaligen Organgesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kommt es aufgrund einer Insolvenzanfechtung zur Rückgewähr von Entgelten, leben die ursprünglichen Zahlungsansprüche erst aufgrund dieser Rückgewähr wieder auf (§ 144 InsO). Darauf, ob der ursprüngliche Entgeltanspruch durch Zahlung bereits erloschen war und daher zivilrechtlich nicht mehr aufleben kann, kommt es umsatzsteuerrechtlich nicht an.

2. Nur der als Masseverbindlichkeit anzusetzende Teil des Umsatzsteueranspruchs darf durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

3. Ficht der Insolvenzverwalter der vormaligen Organträgerin erfolgreich Zahlungen an, die diese für eine Organgesellschaft geleistet hatte, ist das Finanzamt nicht berechtigt, aufgrund der Einnahmen aus den Anfechtungen die Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber dem Insolvenzverwalter der vormaligen Organgesellschaft nach § 17 UStG zu ändern.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1, 2 Nr. 1 S. 2; InsO §§ 134, 144

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.12.2023; Aktenzeichen XI R 5/20)

 

Tenor

1. Die Bescheide über Umsatzsteuer … und … jeweils vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die aktuelle Insolvenzverwalterin über das Vermögen der im Jahre … gegründeten A GmbH (A), (Amtsgericht …, Az.: … IN …, Beschluss vom …). Das Insolvenzverfahren war am … eröffnet worden.

Die A war als Zulieferer in der Automobilindustrie tätig. Die Anteile an der im Jahre … gegründeten A hatte im … die B GmbH (B) für … EUR erworben. Die B gehörte zur insolventen Unternehmensgruppe der C GmbH. Gegenstand der im … gegründeten B war die Entwicklung, Projektierung von Lackieranlagen und Logistiksystemen. Die B war von … bis … als Vertriebsgesellschaft Organträgerin im umsatzsteuerlichen Organkreis mit der A als Produktions- und Organgesellschaft. Während des Bestehens der Organschaft war ausschließlich die B nach außen aufgetreten und hatte die Umsatzsteuer für den Organkreis angemeldet und Vorsteuerüberhänge vereinnahmt. Da A seit … in Liquiditätsschwierigkeiten gekommen war, finanzierte die B seit … Material-, Personal- und sonstige Kosten in Höhe von … EUR.

Auch über das Vermögen der B war am … das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nach Insolvenzeröffnung hatte der Insolvenzverwalter der B sämtliche Zahlungen für die A an die Lieferanten erfolgreich nach § 134 Insolvenzordnung angefochten, weil Drittzahlungen als unentgeltliche Leistungen anzusehen seien, wenn der Schuldner des Leistungsempfängers im Zeitpunkt der Bewirkung der Leistung insolvenzreif gewesen war.

Der Beklagte (das Finanzamt) setzte gegenüber dem ehemaligen Insolvenzverwalter über das Vermögen der A mit den hier streitigen, nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden vom … die Umsatzsteuer … auf … EUR und die Umsatzsteuer … auf … EUR fest. Die Bescheide führten zu Nachzahlungen einschließlich Zinsen in Höhe von … EUR und … EUR, die die Masse leisten sollte. Zur Begründung ist in den Bescheiden angegeben, dass die Umsätze zu 19 % um die steuerpflichtigen Einnahmen aus Anfechtungen (netto … EUR bzw. … EUR) erhöht worden seien.

Mit den hiergegen eingelegten Einsprüchen hatte die Klägerin geltend gemacht, dass die vom Organträger erlangten Vorteile aus der Bezahlung anfechtungsbelasteter Forderungen nicht gegen die Masse von A geltend gemacht werden könnten. Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft sei mit der vorläufigen Insolvenz über das Vermögen der B beendet gewesen.

Nach Ergehen der Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren V R 5/16 und 26/16 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen (Einspruchsentscheidung vom …). Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. In der Einspruchsentscheidung stellte das Finanzamt richtig, dass mit den angefochtenen Bescheiden der Vorsteuerabzug gegenüber der vorangegangenen Festsetzung verringert worden sei. Die Korrektur nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG habe im Unternehmensteil Insolvenzmasse vorgenommen werden müssen, weil die Forderungen wieder aufgelebt seien; es handle sich um Masseverbindlichkeiten (BFH, Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 29/11, BStBl II 2013, 36). Die Änderung sei gegenüber der A vorzunehmen gewesen (BFH, Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 2/05, BStBl II 2007, 848). Die Zahlung an die B habe auf die umsatzsteuerrechtliche Behandlung keinen Einfluss.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die angefochtenen Bescheide keine Grundlage hätten. Für eine Vorsteuer...

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