Entscheidungsstichwort (Thema)
gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1991 in Verbindung mit dem Verlustrücktrag nach 1990
Tenor
1. Der Änderungsbescheid 1990 für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Beitrittsgebiet vom 10.10.1993 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.11.1994 wird aufgehoben; dementsprechend wird in Abänderung des Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1991 vom 07.10.1993 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.11.1994 der verbleibende Verlustabzug auf DM 14.822,– festgestellt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf DM 5.922,– festgesetzt.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
6. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Der Kosten Schuldner kann der Vollstreckung widersprechen. Sofern nicht der Kostengläubiger Sicherheit in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluß festzustellenden Kostenerstattungsanspruches leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Verlustrücktrag aus dem Jahre 1991 in das 2. Halbjahr 1990 gem. § 57 Abs. 4 EStG idF des Steueränderungsgesetzes 1991 iVm. § 10d Abs. 1 EStG (iVm. § 8 Abs. 1 KStG) gegen den Willen des Steuerpflichtigen zulässig ist, wenn sich dadurch der vorzutragende Steuerabzugsbetrag gem. § 9 DBStÄndG DDR erhöht, sich aber mangels einer Körperschaftsteuerschuld in den Jahren 1991 und 1992 nicht mehr auswirken kann.
Die Klägerin begann ihre Tätigkeit im Beitrittsgebiet am 1.7.1990. Ihr steuerlicher Gewinn im 2. Halbjahr 1990 betrug DM 15.584,–.
Mit Bescheid 1990 für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Beitrittsgebiet vom 23.9.1992 (Bescheid 1990), der unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) erging, hatte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen verbleibenden Steuerabzugsbetrag iSd. § 9 DBStÄndG DDR iHv. DM 5.012,– festgestellt. Dieser Feststellung lag ein steuerpflichtiges Einkommen des zweiten Halbjahres 1990 iHv. DM 11.844,–, die Festsetzung von Körperschaftsteuer iHv. DM 1.888,–, die Festsetzung von Gewerbesteuer iHv. DM 3.100,–, d.h. eine zusammengefaßte Steuer iHv. DM 4.988,– zugrunde.
Im Veranlagungszeitraum (VZ) 1991 hat die Klägerin einen steuerlichen Verlust iHv. DM 14.822,– erlitten. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.10.1993 änderte das FA gem. § 164 AO den Bescheid 1990 vom 23.9.1992 und nahm einen Verlustrücktrag in das zweite Halbjahr 1990 iHv. DM 11.844,– vor, indem es den Gewinn um den Verlustrücktrag aus 1991 iHv. DM 11.844,– verminderte. Die Körperschaftsteuer wurde auf Null festgesetzt; es blieb bei der Festsetzung der Gewerbesteuer iHv. DM 3.100,–. Hiervon wurde der Steuerabzugsbetrag iHv. DM 3.100,– abgezogen. Die zusammengefaßte Steuer betrug Null. Der verbleibende Steuerabzugsbetrag erhöhte sich dementsprechend auf DM 6.900,–.
Der verbleibende Verlustabzug zum Schluß des VZ 1991 wurde mit dem ebenfalls angefochtenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1991 vom 7.10.1993 auf DM 2.978,– festgestellt (Verlust 1991 iHv. DM 14.822 ./. Verlustrücktrag iHv. DM 11.844,–).
Die Klägerin hat auch im VZ 1992 Verluste erzielt.
Die gegen den geänderten Bescheid 1990 und die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1991 eingelegten Einsprüche, in denen sich die Klägerin gegen den Verlustrücktrag wandte, blieben ohne Erfolg: In der Einspruchsentscheidung, in der beide Einsprüche zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden waren, vertrat das FA unter Hinweis auf die Kommentierung von Dötsch/Pinkos in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt die Auflassung, § 57 Abs. 4 EStG schreibe einen Verlustrücktrag von 1991 in das zweite Halbjahr 1990 zwingend vor. Ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen bestehe insoweit nicht, selbst wenn steuerliche Vergünstigungen, die als Minderung der Steuer ausgestaltet seien, wegfielen. Dies gelte auch für den Steuerabzugsbetrag gem. § 9 DBStÄndG DDR im 2. Halbjahr 1990.
In der am 15.12.1994 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht geltend, § 57 Abs. 4 EStG sei nur insoweit anzuwenden, als dies zu einer Vergünstigung für den Steuerpflichtigen führe, da sich für das Jahr 1990 die Besteuerung im Beitrittsgebiet nach dem Steuerrecht der DDR richte. Im Streitfall führe aber der Verlustrücktrag zu einer Verböserung, weil sich der in 1991 erwirtschaftete Verlust in keinem VZ steuermindernd auswirken könne. Sinn und Zweck der Steuerbefreiung gem. § 9 DBStÄndG DDR sei es gewesen, durch diese Maßnahme Investoren zu bewegen, Betriebe in der ehemaligen DDR zu eröffnen. Diese Maßnahme gehe ins Leere, wenn durch einen Verlustrücktrag aus den Folgejahren die Besteuerung dadurch nachgeholt werde, daß der in spätere Jahre vortragsfähige Verlust durch den Rücktrag gemindert werde. Der Gesetzgeber der ehemaligen DDR hätte dies bedacht, wenn er mit Einführung eines Verlustrücktrages gerechnet hätt...