Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Schadenszahlungen und Regulierungskosten, die ein Versicherungsnehmer in der Kfz-Haftpflichtversicherung entsprechend einer mit dem Versicherer getroffenen Vereinbarung selbst trägt, sind kein Versicherungsentgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 VersStG.
Normenkette
§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 VersStG, § 41 AO, § 2, § 4 KfzPflVV, § 1, § 3 PflVG
Sachverhalt
Die Klägerin schloss mit der A-GmbH als Versicherungsnehmerin eine Rahmenvereinbarung über Kfz-Haftpflichtversicherungen für Selbstfahrervermietfahrzeuge ab und versicherte daraufhin ca. 5 000 Fahrzeuge der A-GmbH zu einer Haftpflicht-Stückprämie von 285 EUR zuzüglich Versicherungsteuer.
Nach der Rahmenvereinbarung betrug die Deckungssumme in der Haftpflichtversicherung 50 Mio. EUR pauschal für Sach-, Vermögens- und Personenschäden und maximal 8 Mio. EUR je geschädigte Person. Sach- und sonstige Vermögensschäden gehörten jedoch nur zum Versicherungsumfang, soweit diese je Versicherungsfall 100 000 EUR überstiegen. Im Fall ihrer direkten Inanspruchnahme durch Dritte war die Klägerin im Außenverhältnis auch für solche Sach- und Vermögensschäden voll einstandspflichtig, für die im Innenverhältnis eine Einstandspflicht gegenüber der A-GmbH nicht bestand. Dies sollte auch für den Fall der Zahlungsunfähigkeit der A-GmbH gelten. Nach der Rahmenvereinbarung sollte die A-GmbH die geltend gemachten Sach- und Vermögensschäden einschließlich der Nebenforderungen in eigener Verantwortung bis zu einer Schadenshöhe von 100 000 EUR je Versicherungsfall regulieren. Sofern ein Schaden von der Klägerin reguliert wurde, hatte die A-GmbH dieser den Sach- und Vermögensschadensaufwand bis zu der vereinbarten Höhe von 100 000 EUR zu erstatten.
Das FA vertrat die Rechtsauffassung, ein im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer vereinbarter sog. Selbstbehalt sei als ein zur Begründung und Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu zahlender Regress zu behandeln. Dieser führe zu einer Erhöhung des in der Prämienabrechnung ausgewiesenen Versicherungsentgelts. Die Klägerin teilt diese Auffassung nicht, bezog aber in ihre Versicherungsteueranmeldung dennoch die bei der A-GmbH angefallenen Kosten der Eigenbehaltsvorgänge ein. Gegen die Versicherungsteueranmeldung legte sie dann erfolglos Einspruch ein.
Das FG (FG Niedersachsen vom 26.09.2007, 3 K 142/06, Haufe-Index 2014866, EFG 2008, 345) hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben. Die von der A-GmbH aufgewendeten Schadenszahlungen und Regulierungskosten seien kein Versicherungsentgelt i.S.d. § 3 Abs. 1 VersStG, weil es an einem Geldfluss im Verhältnis zur Klägerin und an einer Gegenleistung für die Gewährung von Versicherungsschutz fehle.
Entscheidung
Dem folgte im Ergebnis der BFH und wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Der Versicherungsteuer unterliegt nach§ 1 Abs. 1 VersStG die Zahlung des Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses. Wesentliches Merkmal für ein solches "Versicherungsverhältnis" ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses. Versicherungsentgelt ist nach § 3 Abs. 1 S. 1 VersStG jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist. Zahlung des Versicherungsentgelts ist danach jede Leistung, die die Schuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer erlöschen lässt; ausgenommen ist hingegen nach § 3 Abs. 1 S. 2 VersStG, was zur Abgeltung einer Sonderleistung des Versicherers oder aus einem sonstigen in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Grund gezahlt wird.
2. Nimmt man diese gesetzlichen Grundlagen und vor allem den Charakter der Versicherungsteuer als Verkehrsteuer ernst, so ist Gegenstand der Besteuerung nicht das Versicherungsverhältnis als solches, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts durch den Versicherungsnehmer. Entscheidend ist insoweit, dass eine geschuldete Leistung an den Gläubiger so bewirkt wird, dass die Schuld durch Zahlung des Versicherungsentgelts erlischt.
3. Bezogen auf den Streitfall stellt nunmehr der BFH in einem Grundsatzurteil klar, dass, soweit der Versicherungsnehmer Schäden bis zu einer Höhe von 100 000 EUR selbst getragen hat, die von ihm insoweit aufgewendeten Beträge kein Versicherungsentgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 VersStG darstellen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
a) Die A-GmbH hatte die entsprechenden Aufwendungen allein zu tragen und war damit das Zahlungsrisiko – außer für den Fall der Zahlungsunfähigkeit – nicht, wie dies für Versicherungen geradezu charakteristisch ist, auf einen größeren Kreis von Teilnehmern verteilt. Nichts anderes folgt daraus, dass nach Maßgabe der §§ 1 und 3 PflVG i.V.m. §§ 2 und 4 KfzPflVV zunächst die Klägerin Schadenszahlungen an Geschädigte zu leisten hatte, weil es insoweit wegen der alleinigen Risikotragung der A-GmbH an einem von der Klägerin gew...