Leitsatz
1. Die rückwirkende Änderung einer auf der Eingabe einer falschen Schadstoffkennziffer beruhenden zu niedrigen Kfz-Steuerfestsetzung kann nicht auf § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG gestützt werden. Bei der Zuordnung zu einer den Steuersatz bestimmenden Schadstoffklasse i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis e KraftStG handelt es sich nicht um eine Steuerermäßigung im Sinn dieser Vorschrift.
2. Die Änderung ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 1 Abs. 2 KraftStG geboten. Die in den Fahrzeugpapieren durch eine Kennziffer dokumentierte Feststellung der Zulassungsbehörde zu den Schadstoffemissionen des Kfz stellt einen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG dar.
3. Die Spezialregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG schließt die Anwendbarkeit der Änderungsvorschriften der AO nicht aus.
Normenkette
§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2, § 3, § 3a Abs. 1, § 3a Abs. 2, § 3b, § 3d, § 8, § 9, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG, § 129, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO
Sachverhalt
Bei Zulassung eines Kfz übermittelte die Verkehrsbehörde dem FA im elektronischen Datenträgeraustausch u.a. den Schadstoffschlüssel. Das FA erließ einen Steuerbescheid.
Erst später stellte das FA fest, dass bei dieser Steuerfestsetzung nicht der übermittelte Schadstoffschlüssel, sondern aufgrund einer – unrichtigen – manuellen Eingabe abweichend von den Daten der Zulassungsstelle eine andere Schlüsselnummer zugrunde gelegt worden war. Deshalb setzte das FA, gestützt auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, die Kfz-Steuer rückwirkend ab dem Zulassungstag neu fest und forderte den seitdem zu wenig gezahlten Betrag nach.
Entscheidung
Der Nacherhebungsbescheid ist rechtmäßig. Er ist allerdings auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu stützen.
Hinweis
1. Welche Schadstoffemissionen von einem Fahrzeug ausgehen, gehört zu den Besteuerungsgrundlagen. Es stellt nicht etwa einen Steuerermäßigungstatbestand dar, sodass bei unrichtiger Einordnung in die Schadstoffklassen eine Änderung des Kfz-Steuerbescheids nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG möglich wäre.
2. Feststellungen der Zulassungsbehörde zu den Schadstoffemissionen eines Kfz sind für das FA verbindlich (vgl. schon BFH, Beschluss vom 26.8.1986, VII B 107/86, BStBl II 1986, 865); sie sind Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO, denn es handelt sich um Feststellungen i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG.
3. Die Änderung eines Steuerbescheids ist unabhängig vom Zeitpunkt des Bekanntwerdens der im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen so lange zwingend geboten, bis der Grundlagenbescheid "richtig" umgesetzt ist. Fehler, die bei der Auswertung eines Grundlagenbescheids im Folgebescheid unterlaufen sind, sind zu korrigieren. Eine zeitliche Schranke für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ergibt sich lediglich aus den Vorschriften über die Festsetzungsverjährung.
4. Beachten Sie auch die besonderen kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Änderungsvorschriften in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG – Änderung der Bemessungsgrundlage – und § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG – Neufestsetzung zur Beseitigung eines Fehlers der bisherigen Festsetzung, aber nur vom Beginn des Entrichtungszeitraums an, in dem der Steuerbescheid erteilt wird, sofern die Berichtigung zu einer Erhöhung der Steuer führt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.10.2006, VII R 13/06