Revision eingelegt (BFH VII R 32/23)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Freigabe eines Anspruchs nach dem Anfechtungsgesetz "zur weiteren Rechtsverfolgung" durch die Behörde nicht vor Beendigung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Insolvenzverwalter kann einen Anspruch nach dem Anfechtungsgesetz nicht vor Beendigung des Insolvenzverfahrens "zur weiteren Rechtsverfolgung" durch die Behörde "freigeben".

 

Normenkette

AnfG §§ 16-18

 

Tatbestand

Zu klären ist, ob das Gerichtsverfahren durch den Beklagten wirksam wieder aufgenommen werden kann.

Die Klägerin wendet sich in diesem Verfahren gegen einen Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 1 AnfG.

Ihr Ehemann schuldet dem Land Schleswig-Holstein Abgabeverbindlichkeiten und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt über xxx € (Stand Juli 2014).

Bereits im Dezember 2010 änderten die Klägerin und ihr Ehemann den seit ihrer Hochzeit bestehenden gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch notariellen Vertrag in den Güterstand der Gütertrennung. Im Rahmen dieser Vereinbarung über den Güterstand der Gütertrennung bestimmten die Eheleute den Zugewinnausgleich zu Lasten des Ehemannes und zugunsten der die Klägerin auf einen Betrag in Höhe von xxx €. Zur Abgeltung des Zugewinnausgleiches übertrug der Ehemann der Klägerin:

1. Geschäftsanteile an 3 verschiedenen GbRs, deren Zweck jeweils die Verwaltung von einzelnen Immobilien in Berlin ist,

2. den ihm gehörenden 1/3 Anteil an der Partnerschaft A (im Folgenden: A) und

3. sein bewegliches Vermögen mit einem Gesamtwert in Höhe von xxx €.

Diese Übertragungen focht der Beklagte an und erließ gegen die Klägerin zwei Duldungsbescheide, namentlich:

1. Bescheid vom 20. April 2012: Duldung der Vollstreckung in die Werte zu 2. und 3. (A und bewegliches Vermögen); dieser Bescheid ist Gegenstand der rechtskräftig abgewiesenen Klage zum Aktenzeichen 3 K 56/15.

2. Bescheid vom 14. Juli 2014: Duldung der Vollstreckung in die Werte zu 1. (Geschäftsanteile GbR), dieser Bescheid ist Gegenstand dieses Klagverfahrens.

Im November 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Ehemannes eröffnet, worauf dieses Klagverfahren von Gesetzes wegen unterbrochen war.

Der Insolvenzverwalter des Ehemannes erklärte die Wiederaufnahme dieses Verfahrens bisher nicht.

Unter dem 2. Dezember 2022 schrieb der Insolvenzverwalter des Ehemanns an den Beklagten:

Das Finanzamt C hatte [die Klägerin] vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen der Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners E als Anfechtungsgegnerin aufgrund des Anfechtungsgesetzes in Anspruch genommen. Im Hinblick auf § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG bin ich als Insolvenzverwalter berechtigt, die erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen.

Als Insolvenzverwalter über das Vermögen des E erkläre ich hiermit: Insoweit wie die von dem Finanzamt C erhobenen Anfechtungsansprüche dem Insolvenzbeschlag unterliegen, erteile ich dem Finanzamt C die Freigabe zur weiteren Rechtsverfolgung. Ich bin damit einverstanden, dass das Finanzamt C die Anspruchsverfolgung gegen [die Klägerin] aufgrund des Anfechtungsgesetzes im eigenen Namen weiter betreibt. Diese Erklärung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Insolvenzmasse durch die weitere Anspruchsverfolgung keine Kosten entstehen dürfen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. Juni 2023 bei Gericht beantragt, den Stillstand des Verfahrens zu beenden.

Zur Begründung schließt er sich dem Vorbringen des Insolvenzverwalters an, der hierzu im Wesentlichen mitteilt, dass nach seiner Ansicht in dieser speziellen Konstellation die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Beschluss vom 24. Juli 2019 (VII B 65/19), wonach die Vorschriften des Anfechtungsgesetzes es nicht zuließen, dass der Insolvenzverwalter den Rückgewähranspruch mit der Folge freigebe, dass der Anspruch vor Beendigung des Insolvenzverfahrens weiterverfolgt werden könne, im hiesigen Verfahren keine Anwendung finden könne. Der Bundesfinanzhof führe dort aus, dass der - zuvor dem Einzelgläubiger zustehende - Anfechtungsanspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners zur Insolvenzmasse gehöre und der Verfolgungsanspruch auf den Insolvenzverwalter übergehe. Einer - bei noch anhängigem finanzgerichtlichem Verfahren - grundsätzlich zulässigen Umstellung des Klageantrags auf Leistung an die Insolvenzmasse habe der Bundesfinanzhof in der Entscheidung ausnahmsweise und allein deshalb eine Absage erteilt, weil das Verfahren vor dem Finanzgericht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr anhängig gewesen sei und keine Möglichkeit bestehe, ein rechtskräftiges Urteil umzuschreiben. Dies gelte insbesondere dann, wenn das Urteil - wie im dortigen Streitfall - keinen vollstreckbaren Inhalt habe. In diesem Zusammenhang sei die Äußerung des Bundesfinanzhofs, das Anfechtungsgesetz lasse es nicht zu, dass der Insolvenzverwalter "den Rückgewähranspruch "freigibt" mit der Folge, dass der Anspruch vor Beendigung des Insolvenzverfahrens weiterver...

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