Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Gebühren für die Erteilung verbindlicher Auskünfte
Leitsatz (amtlich)
Die Erhebung von Gebühren für die Erteilung verbindlicher Auskünfte ist verfassungsgemäß. Der gesetzlich angeordnete Vorrang der Wertgebühr vor einer Zeitgebühr ist auch im Falle des Ansatzes der Höchstgebühr von 91.456 Euro nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er für sachlich unterschiedliche Verwaltungsleistungen unterschiedliche Maßstäbe der Gebührenbemessung vorsieht. Ein Anspruch auf eine Gebührendeckelung kann deshalb auch nicht aus einem wertenden Vergleich mit der Gebührenregelung des § 178a Abs. 2 AO abgeleitet werden.
Normenkette
AO § 89 Abs. 3-5, § 178a Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Gebührenbescheides gemäß § 89 der Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin hatte zum 1. Januar 2008 ihre Umstrukturierung zur geschäftsleitenden Holding, welche das operative Geschäft ausschließlich durch Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften betreiben lässt, beabsichtigt. Hierzu hatte sie u.a. die Übertragung von Betriebsvermögen auf eine Personengesellschaft zu Buchwerten gegen Gewährung von Gesellschafterrechten unter Wahrung der Voraussetzungen des § 24 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) geplant.
Am 12. Juni 2007 erteilte der Beklagte – das Finanzamt – auf Antrag der Klägerin eine verbindliche Auskunft. Mit Bescheid vom 25. Juni 2007 setzte es hierfür gemäß § 89 Abs. 3 - 5 AO i.V.m. § 34 des Gerichtskostengesetzes (GKG) eine Wertgebühr in Höhe von 91.456 Euro fest. Dabei legte es auf der Grundlage der Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 23. Mai 2007 einen Gegenstandswert von mindestens 30 Millionen Euro zugrunde. Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Juli 2007 Einspruch: Sie habe ausdrücklich die Festsetzung einer Zeitgebühr beantragt. Die festgesetzte Wertgebühr stehe in einem groben Missverhältnis zur erbrachten Leistung. Der Ablauf des von ihr eng begleiteten Verfahrens lasse auf einen Verwaltungsaufwand von etwa 150 – 180 Arbeitsstunden schließen. Dementsprechend würde sich eine Zeitgebühr zwischen 15.000 und 18.000 Euro errechnen, welche deutlich unterhalb der Wertgebühr liege. Nach dem Rechtsgedanken des § 89 Abs. 4 Satz 3 AO sei aber die Zeitgebühr vorrangig in Ansatz zu bringen, soweit – wie hier – eine Gebührenfestsetzung nach dem Gegenstandswert zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe. Die Gebührenfestsetzung sei auch aus gesetzessystematischer Sicht weit überzogen. So sei z.B. für die Bearbeitung eines Verständigungsverfahrens bei grenzüberschreitenden Besteuerungssachverhalten nach § 178a Abs. 2 AO (sogen. Advance-Pricing-Agreement) ohne Rücksicht auf den Steuereffekt lediglich eine Pauschalgebühr von max. 20.000 Euro zu entrichten, obwohl hierfür eine äußerst komplexe Tätigkeit der Finanzbehörde in Anspruch genommen werde. Die Gebührenfestsetzung sei zudem mit höherrangigem Recht unvereinbar. Das verfassungsrechtlich verankerte Äquivalenzprinzip sei verletzt, weil die festgesetzte Gebühr den tatsächlichen Kostenaufwand der Behörde weit übersteige.
Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2007 zurück: Die Gebühr sei auf der Grundlage der Vorgaben des § 89 Abs. 4 AO zutreffend als Wertgebühr ermittelt worden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ansatz einer Zeitgebühr seien nicht gegeben. Es bestehe insbesondere kein auffälliges Missverhältnis zwischen der Höhe des Gegenstandswertes und den steuerlichen und tatsächlichen Verhältnissen. Das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip sei gewahrt. Bei Einbeziehung aller stillen Reserven hätte die steuerliche Auswirkung bei weit über 30 Millionen Euro gelegen. Der Zeit- und Personalaufwand, der für die Erteilung der verbindlichen Auskunft betrieben worden sei, habe sich als sehr umfangreich dargestellt und stehe in einem angemessenen Verhältnis zur erhobenen Gebühr. Die kostenrechtliche Sonderregelung des § 178a AO sei hier nicht einschlägig.
Mit der am 29. November 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter und führt ergänzend aus: Der vom FA angeführte Verwaltungsaufwand sei weit überzogen. Dass die Finanzbehörde ihren Zeitaufwand nicht aufgezeichnet habe, gehe zu ihren Lasten, weil sie die Klägerseite nicht darüber informiert habe, dass die Erfassung des Zeitaufwandes für entbehrlich gehalten werde. Unabhängig davon sei die Gebührenfestsetzung aus den im Schrifttum u.a. von Simon, DStR 2007, 557, Stark, DB 2007, 2333 und Lahme/Reiser, BB 2007, 408 genannten Gründen verfassungswidrig. Darüber hinaus sei der Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) verletzt, zumal eine verbindliche Zusage im Rahmen einer Außenprüfung gemäß §§ 204 ff. AO und die lohnsteuerliche Anrufungsauskunft gemäß § 42 e Einkommensteuergesetz (EStG) nach wie vor kostenfrei seien. Es bestehe zudem ein auffälliges Missverhältnis zur gebührenrechtlichen Sonderregelung des § 178a AO,...