Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwingende Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 AO Billigkeitsregelung für Steuerpflichtige mit Nichtveranlagungsbescheinigung
Leitsatz (amtlich)
1. Liegen die Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 AO vor, ist seit dem Veranlagungsjahr 2018 ein Verspätungszuschlag zwingend festzusetzen.
2. Die Billigkeitsregelung des § 152 Abs. 5 Satz 3 AO gilt insbesondere für Steuerpflichtige mit Nichtveranlagungsbescheinigung des Finanzamtes.
Normenkette
AO § 152 Abs. 2, 5 S. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen nach § 152 der Abgabenordnung (AO) aufgrund verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2018 und 2019.
Die verheirateten Kläger werden in den Streitjahren gemäߧ 26 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide Kläger erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Bereits vor dem Jahr 2007 wechselten die Kläger die Steuerklasse zu III/ V. Die Klägerin fing ab Juni 2018 an auf Steuerklasse V zu arbeiten.
Mit Schreiben vom 02. Juni 2022 erinnerte der Beklagte die Kläger an die Abgabeverpflichtung hinsichtlich der ausstehenden Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2019. Der Beklagte wies darauf hin, dass durch dieses Schreiben keine Abgabefrist verlängert werde. Außerdem sei die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gegen die Kläger möglich, wenn diese zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet seien. Um Abgabe der Steuererklärung 2019 bis zum 08. Juli 2022 wurde gebeten.
Daraufhin reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung 2018 und 2019 durch elektronische Übermittlung über ihren steuerlichen Berater am 07. Juli 2022 ein.
Mit Bescheiden nach antragsgemäßer Veranlagung, jeweils vom 11. August 2022, setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2018 in Höhe von 5.786,00 € sowie einen Verspätungszuschlag in Höhe von 650,00 € und die Einkommensteuer 2019 in Höhe von 8.420,00 € sowie einen Verspätungszuschlag in Höhe von 275,00 € fest.
Mit Schreiben vom 18. August 2022 legten die Kläger gegen diese Bescheide form- und fristgerecht Einspruch ein, wobei sie nur die Aufhebung der festgesetzten Verspätungszuschläge beantragten. Zur Begründung führten sie aus, dass gemäß § 152 Abs. 5 Satz 3 AO Verspätungszuschläge erst ab dem Zeitraum zu erheben seien, der nach dem Ablauf der Erinnerung an die Abgabe der Steuererklärung versäumt worden sei. Die Steuerklassenwahl III/ V liege mehr als 12 Jahre zurück und den Klägern sei nicht mehr bewusst gewesen, zur Veranlagung verpflichtet zu sein, da sie in dieser Zeit auch Nichts mehr vom Beklagten gehört hätten.
Mit Entscheidung vom 27. Oktober 2022 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass ab dem Veranlagungszeitraum 2018 ein Pflichtveranlagungsfall vorliege und den Klägern bei Änderung der Steuerklassenkombination zu III/ V bekannt gewesen sei, dass sie pflichtveranlagt werden würden. Gemäß § 152 Abs. 1 AO könne gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkomme, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags sei abzusehen, wenn der Erklärungspflichtige glaubhaft mache, dass die Verspätung entschuldbar sei. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AO in Verbindung mit § 56 Satz 1 Nr. 1b Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sei eine Einkommensteuererklärung abzugeben, wenn mindestens einer der Ehegatten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden sei, bezogen habe und eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG in Betracht komme. Bestehe das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden sei, so werde eine Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG durchgeführt, wenn von Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen seien, beide Arbeitslohn bezogen hätten und einer für den Veranlagungszeitraum nach der Steuerklasse V oder VI besteuert worden sei. Die Kläger seien in den Streitjahren zur Abgabe der Einkommensteuererklärung verpflichtet gewesen, weil die Ehefrau im Streitjahr 2018 eine Tätigkeit aufgenommen und Arbeitslohn bezog habe, der nach der Steuerklasse V besteuert worden sei. Gemäߧ 149 Abs. 2 Satz 1 AO seien Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr beziehen, spätestens sieben Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs abzugeben. Die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung 2018 der Kläger ende daher mit Ablauf des 31. Juli 2019. Durch Abgabe der Einkommensteuererklärung durch einen Lohnsteuerring, würden die Kläger als steuerlich beraten gelten und die Abgabefrist verlängere sich unter Berücksichtigung der Corona-Sonderregelung bis zum 31. Mai 2020. Die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung 2019 ende mit Ablauf des 31. Juli 2020, für steuerlich Beratene mi...