6.1 Einzweck- und Mehrzweckgutscheine
Rz. 34
Viele Gastronomen haben in der Corona-Krise ihre Stammgäste gebeten, zur Überbrückung der Umsatzausfälle des Betriebs oder zur Vermeidung der Insolvenz Gutscheine käuflich zu erwerben, die dann bei Wiedereröffnung des Lokals eingelöst werden könnten. Ansonsten sind Gutscheine in der Gastronomie (sog. Restaurantgutscheine) als Geschenk zu allen möglichen Gelegenheiten nach wie vor sehr beliebt.
Rz. 35
Die Umsatzbesteuerung beim Ausstellen und Einlösen von käuflich erworbenen Gutscheinen ist mWv 1.1.2019 in § 3 Abs. 13 bis 15 UStG neu geregelt worden (§ 3 Abs. 13 UStG Rz. 1ff.). Danach ist bei der Ausgabe von Gutscheinen durch Unternehmer zu unterscheiden, ob es sich um Einzweckgutscheine i. S. d. § 3 Abs. 14 UStG (§ 3 Abs. 14 UStG Rz. 1ff.) oder um Mehrzweckgutscheine i. S. d. § 3 Abs. 15 UStG (§ 3 Abs. 15 UStG Rz. 1ff.) handelt.
Ein Einzweckgutschein liegt vor, wenn die USt für den Umsatz, auf den sich der Gutschein bezieht, zum Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins feststeht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der spätere Umsatz einem einheitlichen Steuersatz unterliegt, der bei der Ausstellung des Gutscheins unumstößlich feststeht. Gibt der Unternehmer (Gastwirt usw.) einen Einzweckgutschein aus und kassiert vom Gutscheinkäufer das entsprechende Geld hierfür, hat er damit einen zu dem betreffenden Steuersatz steuerpflichtigen Umsatz ausgeführt. Die spätere tatsächliche Erbringung der Leistung ist davon unabhängig und wird nicht nochmals besteuert (§ 3 Abs. 14 S. 5 UStG).
Mehrzweckgutscheine sind alle Gutscheine, die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 14 UStG für die Annahme von Einzweckgutscheinen nicht erfüllen. Die Ausgabe eines Mehrzweckgutscheins führt beim Gutscheinaussteller nicht zu einem Umsatz (§ 3 Abs. 15 UStG Rz. 7).
6.2 Vor dem 1.7.2020 ausgestellte Gutscheine
Rz. 36
Hat ein Gastwirt usw. vor dem 1.7.2020 einen Gutschein ausgestellt (und den entsprechenden Wert vom Gutscheinerwerber vereinnahmt), der den jeweiligen Gutscheininhaber zum Essen und Trinken in einem bestimmten Lokal berechtigt (Restaurantgutschein), handelt es sich um einen Einzweckgutschein. Aus damaliger Sicht konnten mit dem Gutschein ausschließlich Restaurantdienstleistungen zum allgemeinen Steuersatz von 19 % in Anspruch genommen werden, womit die darauf entfallende USt feststand. Zumindest galt dies bis zum 23.4.2020, dem Tag als der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD beschloss, auf die Speisenabgabe in der Gastronomie zunächst vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 den ermäßigten Steuersatz anzuwenden (Rz. 3). Die Leistung des Gutscheinausstellers (Gastwirt usw.) ist mit der Übergabe des Gutscheins an den Erwerber und der Vereinnahmung des entsprechenden Werts bereits erbracht. Der Gutscheinaussteller musste den Umsatz zum allgemeinen Steuersatz von 19 % in dem USt-Voranmeldungszeitraum der Gutscheinübergabe anmelden. Wenn derartige Gutscheine entweder vor dem 1.7.2020 eingelöst wurden oder erst nach dem 31.12.2023 eingelöst werden, entspricht die vor dem 1.7.2020 abgeführte USt zum allgemeinen Steuersatz von 19 % dem bei der Erbringung der tatsächlichen Leistung (Einlösen des Gutscheins bei einem Besuch im Lokal) geltenden Umsatzsteuersatz.
Rz. 37
Werden vor dem 1.7.2020 ausgestellte Gutscheine jedoch bei Restaurantbesuchen zwischen dem 1.7.2020 und dem 31.12.2023 eingelöst, hat der Gutscheinaussteller (Gastwirt usw.) den Umsatz seinerzeit eigentlich zu hoch besteuert. Da aber mit der Ausgabe des Einzweckgutscheins die Leistung als erbracht gilt, bleibt es bei dieser Besteuerung, auch wenn der Gast den Gutschein sowohl für Getränke zum allgemeinen Steuersatz (im zweiten Halbjahr 2020: 16 %, ab 1.7.2021: 19 %) als auch für Speisen zum ermäßigten Steuersatz (im zweiten Halbjahr 2020: 5 %, im Zeitraum vom 1.1.2021 bis 31.12.2023: 7 %) verwendet. Eigentlich soll die USt als Verbrauchsteuer den Verbrauch belasten, wann dieser tatsächlich stattfindet. Allerdings lässt die Verwaltung keine Berichtigung der USt zu, die bei der Ausstellung des Einzweckgutscheins zum allgemeinen Steuersatz angefallen und an das Finanzamt abgeführt worden ist. Wenn der Gast bei einem Restaurantbesuch wertmäßig mehr verzehrt als den Gutscheinwert, wird die Zuzahlung (Differenz) mit den Steuersätzen besteuert, die zum Zeitpunkt des Restaurantbesuchs maßgebend sind.
Ein Restaurantbetreiber hatte am 15.2.2020 einen Restaurantgutschein über 100 EUR an einen Erwerber ausgegeben und die 100 EUR dabei vom Gutscheinerwerber kassiert. Am 4.7.2020 verzehren der Gutscheininhaber und seine Begleitpersonen in dem Restaurant Speisen für brutto 100 EUR und Getränke für brutto 60 EUR und lösen dabei den 100 EUR-Gutschein ein.
Weil bei der Gutscheinausgabe am 15.2.2020 aus damaliger Sicht vermeintlich feststand, dass der Gutscheininhaber nur Restaurantdienstleistungen zum allgemeinen Steuersatz von 19 % in Anspruch nehmen könnte, handelt es sich um einen Einzweckgutschein. Von der befristeten Steuersatzsenkung für Gastronomieumsätze konnte am 15.2.2020 noch niemand etwas ahnen. Somit hat das Restaurant ...