Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 94
Bis zum 31.12.2018 bestimmte § 3 Abs. 9 S. 3 UStG, dass in den Fällen des § 27 und des § 54 UrhG die Verwertungsgesellschaften und die Urheber sonstige Leistungen ausführen. Die Regelung war mWv 1.1.1993 in das nationale Umsatzsteuerrecht eingeführt worden. Die Regelung konkretisierte die Duldung i. S. d. § 3 Abs. 9 S. 2 UStG. Zum 1.1.2019 ist § 3 Abs. 9 S. 3 UStG wieder ersatzlos gestrichen worden.
Rz. 95
Nach § 27 UrhG hat der Urheber ein Vergütungsrecht für das Vermieten oder Verleihen von Bild- oder Tonträgern sowie für das Verleihen von Originalen oder Vervielfältigungsstücken eines Werks. Diese Vergütungsansprüche können nach § 27 Abs. 3 UrhG nur durch die Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Lässt die Art des Werks eine nach den Regelungen des UrhG erlaubte Vervielfältigung erwarten, hat der Urheber des Werks gegen den Hersteller von Geräten und von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung, § 54 Abs. 1 UrhG.
Rz. 96
Die Vergütungsansprüche der Urheber sind durch Verwertungsgesellschaften geltend zu machen. Verwertungsgesellschaften sind u. a.:
- GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte)
- GÜFA (Gesellschaft zur Übernahme und Wahrnehmung von Filmaufführungsrechten mbH)
- GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH)
- GWFF (Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten mbH)
- VFF (Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten mbH)
- VG Bild – Kunst (Verwertungsgesellschaft Bild – Kunst)
- VG Wort (Verwertungsgesellschaft Wort)
Rz. 97
Mit der Regelung des § 3 Abs. 9 S. 3 UStG wurde sowohl eine Leistung zwischen dem Mieter/Nutzer und der Verwertungsgesellschaft als auch zwischen der Verwertungsgesellschaft und dem Urheber fingiert. Nachdem der EuGH in einem polnischen Verfahren eine Leistungsbeziehung in diesen Fällen verneint und entschieden hatte, dass gesetzlich festgelegte Abgaben auf urheberrechtlich geschützte Werke, die Hersteller und Importeure solcher Geräte entrichten, nicht der Umsatzsteuer unterliegen, weil die Inhaber der Vervielfältigungsrechte insoweit keine Dienstleistung i. S. d. MwStSystRL erbringen, wurde die nationale Regelung als nicht mit dem Unionsrecht vereinbar zum 31.12.2018 aufgehoben. Der EuGH hatte in seiner Entscheidung den Vergütungen einen Schadensersatzcharakter zugesprochen, sodass es schon grundsätzlich an einer ausgeführten Leistung mangelt. Die Abgaben dienen lediglich einem "gerechten Ausgleich", sind aber nicht Folge eines Leistungsaustauschs. Deshalb kann – auch nicht nach Streichung des § 3 Abs. 9 S. 3 UStG – über § 3 Abs. 11 UStG (sog "Leistungskommission") eine Leistungskette fingiert werden.
Rz. 98
Nach der Gesetzesbegründung sind in § 54 UrhG vergleichbare Vergütungen geregelt, wie dies in dem Verfahren beim EuGH der Fall war. Auch hier haben Urheber einen Vergütungsanspruch gegen Hersteller und Importeure bestimmter Vervielfältigungsgeräte. Die Grundsätze des Urteils sind daher nach der Gesetzesbegründung auf das nationale Recht übertragbar. Gleiches gilt danach für § 27 UrhG, der eine entsprechende Vergütung für Urheber vorsieht, deren Werke durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung verliehen werden. Vergütungen, die Urheber von den eingeschalteten Verwertungsgesellschaften für die in § 27 UrhG und § 54 ff. UrhG normierten Sachverhalte erhalten, stellen bei den Urhebern nicht steuerbare Umsätze dar. Allerdings führen die Verwertungsgesellschaften regelmäßig gegenüber den Urhebern steuerbare und steuerpflichtige Dienstleistungen aus, indem sie die Ersatzansprüche der Urheber gegenüber Dritten geltend machen.
Rz. 98a
Über die in § 27 UrhG und § 54 ff. UrhG hinausgehende normierte Vergütungsansprüche der Urheber unterliegen aber auch nach der Streichung des § 3 Abs. 9 S. 3 UStG seit dem 1.1.2019 als steuerbare Leistung der Urheber der Umsatzsteuer. So hat der BFH entschieden, dass reichweitenabhängige Zusatzvergütungen an Urheber gem. § 32a UrhG in direktem und unmittelbarem Zusammenhang zu den Leistungen aus dem ursprünglichen Vertragsverhältnis stehen.