Leitsatz
Versorgungsleistungen einer Schweizer Pensionskasse an einen vormals im Schweizer öffentlichen Dienst tätigen Arbeitnehmer, die auch auf Beitragsleistungen des Arbeitnehmers beruhen, unterfallen nicht dem Kassenstaatsprinzip des DBA-Schweiz 1971/1992.
Normenkette
Art. 18, Art. 19 Abs. 1 S. 1, Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992
Sachverhalt
Die Klägerin hatte ihren Wohnsitz im Streitjahr in Deutschland. Sie war bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1984 in einem nach Schweizer Recht öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis in der Schweiz beschäftigt. Während des Beschäftigungsverhältnisses hatten sie und ihr Arbeitgeber Beiträge zur beruflichen Alters- und Invaliditätsvorsorge an Pensionskassen erbracht. Bei diesen Pensionskassen handelte es sich um öffentlich-rechtliche Einrichtungen zur "beruflichen Vorsorge" der Arbeitnehmer von Bund, Kantonen, Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern. Diese Form der Vorsorge war seinerzeit nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Im Streitjahr bezog die Klägerin von der Pensionskasse eine Altersrente, von der eine Quellensteuer einbehalten und an die Eidgenössische Steuerverwaltung abgeführt wurde. Das FA unterwarf den Ertragsanteil dieser Rente der ESt und rechnete die Schweizer Quellensteuer an.
Die Klägerin war der Auffassung, bei der gezahlten Altersrente handle es sich um ein Ruhegehalt i.S.d. Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992, das ausschließlich in der Schweiz als Zahlstaat/Kassenstaat zu versteuern sei. Ihre Klage blieb ohne Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.09.2009, 3 K 4130/08, Haufe-Index 2292349, EFG 2010, 780).
Entscheidung
Auch der BFH half der Revision der Klägerin nicht ab:
Die der Klägerin im Streitjahr zugeflossene Altersrente sei nicht als Ruhegehalt i.S.d. Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992 anzusehen. Denn sie beruhe – insoweit ähnlich den Leistungen aus einer gesetzlichen Sozialversicherung – auf Rentenansprüchen gegen die Pensionskasse, die die Klägerin auch aufgrund eigener Beitragsleistungen erworben habe, sodass die Altersrente nicht als Vergütung für erbrachte Dienste beurteilt werden könne. Das besteuerungsrecht an den Renten gebühre deswegen nach Art. 21 DBA-Schweiz allein Deutschland, was wiederum zur Folge habe, dass auch eine Anrechnung der Schweizer Quellensteuer ausscheide. Soweit das FA im Streitfall gleichwohl eine teilweise Anrechnung der abgeführten Quellensteuer vorgenommen habe, sei das als Billigkeitserweis i.S.v. § 163 AO zu verstehen.
Hinweis
1. Es ging um das deutsche oder das Schweizer Besteuerungsrecht an dem Ertragsanteil einer Schweizer Altersrente.
a) |
Nach der sog. Kassenstaatsregelung in Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 können Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat, Land, Kanton, Bezirk, Kreis, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband oder von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates unmittelbar oder aus einem Sondervermögen an eine natürliche Person für geleistete Dienste gewährt werden, nur in diesem Staat besteuert werden. |
Der BFH gelangt zu dem Ergebnis, dass der Begriff des Ruhegehalts in Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz abkommensspezifisch und -autonom aufzufassen ist. Und danach sind Ruhegehälter Vergütungen, die von dem Arbeitgeber oder aus einem Sondervermögen "für erbrachte Dienste" gewährt werden. Versorgungsleistungen, welche ganz oder teilweise, gesetzlich verpflichtet oder auch auf freiwilliger Basis wirtschaftlich vom Arbeitnehmer selbst durch Beitragszahlungen veranlasst worden sind, gehören dazu nicht.
b) |
Dementsprechend besteht auch zwischen den Finanzverwaltungen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz bislang Einigkeit darüber, dass Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung und solche aus der Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversorgung keine Ruhegehälter i.S.d. Art. 18, Art. 19 DBA-Schweiz 1971/1992 sind. |
Soweit sich aus dem OECD-Musterkommentar 2005 – abweichend von der früheren Beurteilung – ergibt, dass nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung als Ruhegehälter i.S.d. Art. 18, Art. 19 OECD-MA anzusehen seien (vgl. OECD-MK 2005 Art. 18 Nr. 24), ist das nicht ausschlaggebend. Einmal mehr (vgl. z.B. BFH/PR 2010, 353 zum BFH-Beschluss vom 19.05.2010, I B 191/09, BFH/NV 2010, 1554) vertritt der BFH seine Sichtweise, wonach auch die Staatenpraxis und damit einhergehende OECD-Verlautbarungen "statisch" und nicht "dynamisch"aufzufassen sind: OECD-Verlautbarungen, die der Vereinbarung über ein konkretes DBA nachfolgen, sind grundsätzlich nicht bei der Auslegung einschlägiger Abkommensbestimmungen einzubeziehen.
c) |
Folge ist das deutsche und nicht das Schweizer Besteuerungsrecht: Es ist die Auffangnorm des Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992 einschlägig, nach der die in den vorstehenden Artikeln nicht ausdrücklich erwähnten Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person nur in diesem Staat besteuert werden können. |
2. Das Urteil enthält – darauf aufbauend – noch ein...