Leitsatz
Eine auf dem Wasser schwimmende Anlage ist mangels fester Verbindung mit dem Grund und Boden und wegen fehlender Standfestigkeit bewertungsrechtlich kein Gebäude.
Normenkette
§ 68 Abs. 1 Nr. 1, § 70 Abs. 3 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin hat auf einem Kanal eine aus drei Schwimmkörpern und einem Pfahlbau bestehende gastronomische Anlage errichtet, die durch bewegliche Versorgungsleitungen mit dem Festland verbunden ist. Die Pfähle des Pfahlbaus stehen unter dem Wasser im Kanalgrund. Die neben dem Pfahlbau liegenden Schwimmkörper erhalten ihren Auftrieb durch nach unten zugängliche Rümpfe. Die Schwimmkörper sind derart befestigt, dass nur eine durch Wasserstand, Wellen, Gewichtsbelastung und Winddruck bedingte vertikale, nicht jedoch eine horizontale Positionsänderung möglich ist. Das FA stellte für die Anlage den Einheitswert als Geschäftsgrundstück – Gebäude auf fremdem Grund und Boden – fest. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der Klage teilweise statt und bejahte allein die Gebäudeeigenschaft des Pfahlbaus (FG Hamburg, Urteil vom 20.4.2010, 3 K 18/10, Haufe-Index 2342190, EFG 2010, 1289).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA aus den sich aus den Praxis-Hinweisen ergebenden Gründen als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Das Urteil klärt den bewertungsrechtlichen Gebäudebegriff für sog. schwimmende Anlagen (z.B. Hausboote, Restaurantschiffe und andere auf dem Wasser ortsfest gemachte Schwimmkörper). Die Finanzverwaltung vertrat bislang die Auffassung, bei schwimmenden Anlagen handle es sich unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung begrifflich um Gebäude auf fremdem Boden (§ 70 Abs. 3 BewG), für die ein Einheitswert festzustellen sei. Damit sollen schwimmende Anlagen auch der GrSt unterliegen. Dem folgt der BFH nicht.
2. Bewertungsrechtlich ist ein Gebäude ein Bauwerk, das durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit und standfest ist. Eine "feste Verbindung" setzt mindestens voraus, dass das Bauwerk durch sein Eigengewicht auf dem Grundstück festgehalten wird, sofern nur dieses Eigengewicht einer Verankerung gleichwertig ist. Eine solche feste Verbindung fehlt einer auf dem Wasser schwimmenden Anlage. Diese ist mit dem Boden weder durch ein Fundament oder Träger fest verbunden noch ruht sie kraft ihres Eigengewichts auf dem Grundstück.
Allen Bemühungen, das Erfordernis einer festen Verbindung mit dem Grund und Boden abzuschwächen, erteilt der BFH eine klare Absage. Eine nur "mittelbare", durch Befestigungsmittel herbeigeführte "gewisse Ortsfestigkeit" der Anlage, die deren "Wegschwimmen" verhindert, reicht nicht aus. Auch lassen sich durch die von der Finanzverwaltung bemühte Verkehrsanschauung nicht die objektiven Merkmale des Gebäudebegriffs beiseite schieben. Allein das äußere Erscheinungsbild, die äußere und innere Beschaffenheit, die Nutzungsdauer und das Vorhandensein ortsfester Versorgungseinrichtungen können weder kumulativ noch gar je für sich die Gebäudeeigenschaft begründen. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass eine schwimmende Anlage nicht die für den Gebäudebegriff geforderte Standfestigkeit aufweist.
In Abgrenzung dazu erfüllt ein auf dem Gewässergrund fest verankerter Pfahlbau (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 21.2.1973, II R 140/67, Haufe-Index 70429, BStBl II 1973, 507) die Merkmale des Gebäudebegriffs. Ein auf Pfählen – und damit auch auf dem Gewässergrund – kraft seines Eigengewichts aufliegender Baukörper erfüllt die Anforderungen der festen Verbindung und ist auch hinreichend standfest.
3. Neben der GrSt hat das Urteil auch für die GrESt Bedeutung. Die Finanzverwaltung hat bislang schwimmende Anlagen grunderwerbsteuerrechtlich als Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) den Grundstücken gleichgestellt. Auch wenn sich der BFH zu dieser Problematik nicht ausdrücklich äußern konnte, ist doch der Standpunkt der Finanzverwaltung wegen der aus den vorstehenden Gründen fehlenden Gebäudeeigenschaft schwimmender Anlagen unhaltbar geworden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.10.2011 – II R 27/10