Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Ein selbstständig tätiger Verkehrsflugzeugführer erzielt in der Regel Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Normenkette
§ 15 Abs. 2 EStG , § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 2 Abs. 1 GewStG
Sachverhalt
Ein britischer Pilot, dessen Fluglizenz von den deutschen Behörden anerkannt worden war, flog als Kopilot Verkehrsflugzeuge einer deutschen Fluggesellschaft. Nach der zwischen ihm und der Fluggesellschaft geschlossenen Vereinbarung erhielt er ein Entgelt von 110 DM/Flugstunde zuzüglich Spesen, worüber monatlich abzurechnen war. Weitere Ansprüche bestanden nicht (kein bezahlter Urlaub, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall). Das FA behandelte den Piloten als Gewerbetreibenden, während er sich selbst unter Hinweis auf den weggefallenen Beruf des Flugingenieurs als Freiberufler ansah.
Das FG gab der Klage gegen den Gewerbesteuer-Messbescheid mit einer anderen Begründung statt: Der Pilot habe sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt und sei deshalb kein Unternehmer.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab dem FA Recht. Der Kläger habe sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Darin sei eine gewerbliche Tätigkeit zu sehen, weil ein Pilot ohne eigenständige Ingenieurausbildung keinen freien Beruf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausübe, nämlich weder in Gestalt einer dem Ingenieur noch dem Lotsen ähnlichen Tätigkeit.
Hinweis
1. Gewerbliche Einkünfte erzielt man nach der Legaldefinition in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG nur, wenn man sich mit seiner "selbstständigen, nachhaltigen und auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt". Diese Voraussetzung gilt nicht nur für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern für alle Gewinneinkünfte.
Im Besprechungsfall hatte das FG eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verneint, weil sich der Pilot nur bei einer Fluggesellschaft verdingt hatte. Der BFH stellt hierzu in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung klar, dass eine Tätigkeit auch dann am Markt erbracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird, wenn das Angebot nur einem einzigen Marktteilnehmer gegenüber gemacht wird. Geschäftspartnern oder Kunden des Auftraggebers braucht nicht erkennbar zu werden, dass der Leistende nicht Arbeitnehmer, sondern Subunternehmer ist.
2.Hauptstreitpunkt zwischen FA und Kläger war aber die Frage, ob die subunternehmerische Pilotentätigkeitgewerblich oder freiberuflich war. Ein Pilot könnte nur dann als Freiberufler angesehen werden, wenn er einen Beruf ausübt, der einem der Katalogberufe i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlich ist. Von einem ähnlichen Beruf geht der BFH aus, wenn die praktische Tätigkeit von den typischen Merkmalen des Katalogberufsgeprägt ist und der Steuerpflichtige über dieselben Kenntnisseverfügt, wie sie bei der Ausbildung für den Katalogberuf erworben werden. Soweit der Katalogberuf einer besonderen Zulassung bedarf und einer berufsrechtlichenÜberwachung unterliegt, müssen diese Anforderungen auch bei dem ähnlichen Beruf bestehen.
Hier kam vorwiegend eineingenieurähnliche Tätigkeit in Betracht, die der Kläger damit begründete, dass ein Pilot heutzutage die Tätigkeit eines Flugingenieurs mit ausübe, nachdem ein Flugzeug-Cockpit nicht mehr wie früher mit zwei Piloten und einem Flugingenieur besetzt sei.
Bei genauerem Hinsehen kam der BFH aber zu dem Ergebnis, dass ein Flugingenieur nicht in jedem Fall Ingenieur i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sei, denn entgegen früheren Anforderungen ist ein Hoch- oder Fachhochschulstudium nicht mehr erforderlich, um Flugingenieur zu werden. Weder die Ausbildung zum Piloten noch die Ausbildung zum Flugingenieur vermittelt außerdem selbst ingenieurähnliche Kenntnisse. Der Fall zeigt, dass die Berufsbezeichnungfür die Zuordnung zu einem Katalogberufkeine Bedeutung hat. Entscheidend sind der Inhalt der Tätigkeit und die für den Zugang zum Beruf erforderlichen Kenntnisse.
In Betracht kam außerdem ein Vergleich mit dem Beruf desLotsen. Dieser Beruf ist ausdrücklich als freier Beruf gesetzlich geregelt, wobei aber zugleich eine Berufsaufsicht und die Bindung an eine Berufskammer vorgeschrieben sind. Der Pilotenberuf kennt demgegenüber weder eine entsprechende Berufsaufsicht noch eine Berufskammer. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung kann der Beruf des Piloten schon deshalb dem des Lotsen nicht ähnlich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.5.2002, IV R 94/99