OFD Koblenz, Verfügung v. 1.4.2000, S 7420 A - St 44 2
Verschiedene Einzelverfügungen mit Hinweisen auf Abrechnungen zwischengeschalteter Scheinunternehmen
In jüngster Zeit wurden mehrere Steuerbetrugsfälle nach dem Muster sog. Karussellgeschäfte von den Steuerfahndungsstellen aufgedeckt. In den aufgegriffenen Fällen wurden Umsatzsteuer-Hinterziehungen in beträchtlicher Höhe festgestellt (allein in einem Fall in Höhe mehrerer Millionen DM), denen vor allem Manipulationen mit reimportierten Kraftfahrzeugen sowie in der Computerbranche und beim Handel mit Mobiltelefonen zugrunde lagen.
Die Auswertung der Prüfungsberichte ergab, dass die Steuerbetrügereien jeweils nach einem bestimmten Muster ablaufen. Aus den Erfahrungen der entdeckten Fälle ergeben sich auch Anhaltspunkte/Kriterien, an Hand derer Manipulationen künftig zeitnäher erkannt und Steuerausfälle damit u.U. verhindert werden können.
Die folgende Zusammenfassung soll durch die Darstellung der Vorgehensweise einen Beitrag dazu leisten, Betrugsfälle schneller aufzudecken. Sie soll insbesondere den mit der Bearbeitung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen befassten Bediensteten sowie den Prüferinnen und Prüfern der Umsatzsteuer-Sonderprüfung, der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung Bearbeitungshinweise geben.
Der Zusammenstellung liegen die von Herrn StAR Endres (Steufa Trier) und Herrn ORR Herrmann (Steufa Neustadt) zusammengetragenen Feststellungen zugrunde.
1. Ablauf der Karussellgeschäfte
Von einem Umsatzsteuer-Karussell spricht man, wenn Unternehmen unter Ausnutzung der Regelungen für die Umsatzbesteuerung der innergemeinschaftlichen Lieferungen und Erwerbe durch den Aufbau von grenzüberschreitenden Lieferketten in den Genuss von Vorsteuerabzug gelangen, ohne dass die in der Kette entstehende Umsatzsteuer angemeldet bzw. entrichtet wird. Die Lieferketten sind häufig kreisförmig gestaltet, d.h. sie enden in dem EG-Mitgliedstaat, in dem sie begonnen haben. Daher hat sich der Begriff Karussell eingebürgert.
Ein solches Umsatzsteuer-Karussell kann grundsätzlich mit allen möglichen Handelswaren stattfinden. Beliebt sind wertvolle, aber kleine und leicht zu transportierende Güter wie elektronische Gegenstände (Speicherbausteine, Prozessoren, Mobiltelefone, Geräte der Unterhaltungselektronik), aber auch große und wertvolle Liefergegenstände wie Luxusfahrzeuge. Das betrügerische System funktioniert sowohl, wenn die Warenbewegung nur vorgetäuscht wird, als auch, wenn die Waren tatsächlich transportiert werden, weil es innerhalb der EG keine Grenzkontrollen mehr gibt.
Für eine solche vorgetäuschte Lieferkette (tatsächlich gelangt oft überhaupt keine Ware ins übrige Gemeinschaftsgebiet und wieder zurück ins Inland) ergibt sich folgende umsatzsteuerliche Auswirkung:
Der deutsche Unternehmer U 1 tätigt eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 b, § 6 a UStG) an den ausländischen Unternehmer U 2.
U 2 unterliegt im übrigen Gemeinschaftsgebiet der Erwerbsbesteuerung § 1 a UStG). In gleicher Höhe wie die Erwerbsteuer steht ihm ein Vorsteuerabzug zu. Seine Umsatzsteuer-Belastung beträgt demnach 0 DM.
In der Folge erbringt U 2 wiederum eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an B in Deutschland.
B hat den Erwerb im Inland bei gleichzeitigem Vorsteuerabzug zu versteuern. Auch seine umsatzsteuerliche Belastung beträgt bis zu diesem Zeitpunkt 0 DM. Die (Weiter-)Lieferung des B im Inland unterliegt der Umsatzsteuer. B liefert entweder zurück an U 1 oder an einen anderen inländischen Unternehmer. Im Rahmen dieser Lieferung erfolgt nun der Steuerbetrug.
2. Betrügerischer Effekt des Karussells
Der zwischengeschaltete Unternehmer im Inland (B) stellt die Lieferung im Inland in Rechnung, indem er seinen Einkaufspreis (ohne Umsatzsteuerbelastung, s.v.) als Bruttowert behandelt und daraus beim Verkauf Umsatzsteuer herausrechnet und gesondert ausweist.
Beispiel:
B bezieht die Ware von U 2 für 1.000 DM.
Er berechnet die Weiterlieferung:
Netto-Verkaufspreis |
862 DM |
zuzüglich 16 % USt |
138 DM |
Brutto-Verkaufspreis |
1.000 DM |
Der Abnehmer des B zieht die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. Sein Einkaufspreis liegt um 13,8 % unter dem von B aufgewendeten Preis, er ist damit der wirtschaftliche Nutznießer der Gestaltung.
Die Steuerhinterziehung begeht B indem er seinen „Umsatz” nicht gegenüber dem FA erklärt oder zwar Umsatzsteuer-Voranmeldungen mit entsprechenden Angaben abgibt, die Steuer aber nicht abführt.
Der steuerliche Schaden ist noch höher, wenn eine Ware das Umsatzsteuer-Karussell mehrfach hintereinander durchläuft (mehrfacher Vorsteuerabzug durch den/die Abnehmer).
3. Bedeutung des zwischengeschalteten Unternehmers B
Bei dem zwischengeschalteten Unternehmen B handelt es sich in der Regel um ein Scheinunternehmen. Die Firma wird im Handelsregister eingetragen, sie hat sich auch beim FA steuerlich erfassen lassen, und eine USt-IdNr. beantragt. Am allgemeinen Wirtschaftsleben nimmt sie jedoch nicht teil. Die tatsächlichen Warenbewegungen laufen nicht über sie – sofer...