Leitsatz
Zahlt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zusätzlich zu seinem Festgehalt Vergütungen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, so liegt darin nicht immer eine verdeckte Gewinnausschüttung (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 19.3.1997, I R 75/96, BStBl II 1997, 577, und vom 27.3.2001, I R 40/00, BStBl II 2001, 655, BFH-PR 2001, 341).
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb eine Bundesautobahn-Tankstelle. Sie hat ihren Betrieb gepachtet und unterliegt nach dem Vertrag mit der Verpächterin einer ununterbrochenen Betriebspflicht. Ihre Gesellschafter waren A mit einem Anteil von 52 % und dessen Sohn B mit einem Anteil von 48 % am Stammkapital. A und B waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin, die ca. 40 Arbeitnehmer (einschließlich Aushilfen) beschäftigte.
Nach dem mit A abgeschlossenen Geschäftsführervertrag hatte dieser u.a. Anspruch auf ein Gehalt von 49.400 DM pro Jahr. Ferner war vereinbart, dass A seine Arbeitskraft vorrangig der Klägerin zur Verfügung stellen musste und dass seine wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden betrug. A war zu Mehrarbeit verpflichtet, falls die Belange der Klägerin dies erforderten. Nachtarbeit sowie Arbeiten an Sonn- und Feiertagen sollten gesondert vergütet werden, sonstige Mehrarbeit hingegen nicht. Ergänzend dazu heißt es im Geschäftsführervertrag, dass § 3b EStG entsprechend gelte.
Die Klägerin zahlte an A neben einem Grundgehalt von 49.400 DM und sonstigen Leistungen im Wert von ca. 12.790 DM "steuerfreie Zuschläge" in Höhe von 6.516,63 DM. Letztere behandelte das FA als vGA. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (EFG 2004, 425).
Entscheidung
Anders als in dem am selben Tag beschlossenen "Geburtstagskosten-Urteil" I R 57/03 (in diesem Heft S. 480) sah sich der BFH hier an die tatrichterliche Einschätzung des FG gebunden. Verstöße gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze konnte er nicht feststellen. Er ließ sich von der Betriebsüblichkeit der Abläufe und damit auch der gezahlten Zuschläge unter den besonderen Gegebenheiten des zu beurteilenden Sachverhalts überzeugen.
Hinweis
1. Der BFH hatte bereits vor einiger Zeit in den beiden im Leitsatz genannten Urteilen entschieden, dass Überstundenvergütungen, die eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschafter-Geschäftsführern zahlt, unabhängig von ihrer Höhe und ihrer Angemessenheit bereits dem Grund nach vGA sind. Sie seien regelmäßig gesellschaftlich veranlasst, weil sie dem Typus des Geschäftsführers widersprächen, der letztlich "ohne Zeit und Raum" für die Gesellschaft im Einsatz sei und der nicht kleinlich Stunden und Wochenenden notiere, die er überobligatorisch für diese tätig sei. Diesem wertenden Verständnis war zwar erhebliche Kritik entgegengebracht worden. Der BFH hat sich davon aber bislang nicht beirren lassen, und daran hält er erklärtermaßen auch weiterhin fest!
2. Das neueste Urteil zu diesem Problembereich zeigt aber, dass die Rechtsprechung nicht vorbehaltlos und strikt, sondern einzelfallbezogen (eben "indiziell") zu verstehen ist.
Gibt es gute betriebliche Gründe für eine andere Einschätzung und bestätigen sich diese Gründe überdies im betriebsinternen Fremdvergleich zu fremden Arbeitnehmern, die in vergleichbaren Positionen wie der Gesellschafter tätig sind und denen entsprechende Vergütungen (Überstunden-, Sonn- und Feiertags- sowie Nachtzuschläge) gezahlt werden, dann mag dies auch (körperschaft-)steuerlich anerkannt werden.
- Das betrifft namentlich Zuschläge, die ein Betrieb zahlt, der in ungewöhnlicher Weise auf "Nachteinsätze" angewiesen ist (Nachtclub, Tankstellen u.Ä.), der die Gesellschafter-Geschäftsführer ebenso wie die Fremdangestellten entsprechend "einsetzt" und ihnen sämtlich Löhne in etwa gleicher Höhe und Zusammensetzung zahlt. Schon das zusätzliche Zahlen einer Tantieme – allein – an den Gesellschafter-Geschäftsführer wird sich hier als schädlich erweisen!
- Betroffen sein können überdies Gesellschafter-Geschäftsführer mit Zwerganteilen oder sonstige Gesellschafter-Angestellte, z.B. Gesellschafter-Prokuristen. Denn solchen wird i.d.R. einerseits nicht jenes Maß an freier Arbeitszeitgestaltung eingeräumt wie einem Gesellschafter mit entsprechenden "echten" Direktionsrechten, ihnen kann aber andererseits auch nicht ein vergleichbarer Arbeitseinsatz abverlangt werden. In solchen Fällen können Überstunden- u.ä. Vergütungen deshalb nach wie vor gerechtfertigt sein – immer vorausgesetzt, die überobligatorisch erbrachten Leistungen werden auch tatsächlich und nachweislich kontrolliert.
3. Die Praxis wird die neue "Beweglichkeit" des BFH in dieser Frage begrüßen. Man sollte sich davon aber nicht zuviel versprechen! Denn es bleibt dabei, dass ein "echter" Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH sich im "Normalfall" nicht auf eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden, wie aber im Urteilsfall die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer, einlassen wird. Der Vergleich mit dem fremden Dritten "hinkt" hier. Deswegen ist nach wie vor anzur...