Leitsatz
1. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist dahin auszulegen, dass es für die Feststellung einer Verletzung dieses Grundsatzes genügt, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Für die Annahme einer solchen Verletzung bedarf es also nicht dazu noch der Feststellung, dass die betreffenden Dienstleistungen tatsächlich in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen oder dass der Wettbewerb wegen dieser Ungleichbehandlung verzerrt ist.
2. Werden zwei Glücksspiele hinsichtlich der Gewährung der Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL des Rats vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die USt – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ungleich behandelt, so ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen, dass nicht zu berücksichtigen ist, dass diese beiden Glücksspiele zu unterschiedlichen Lizenzkategorien gehören und unterschiedlichen rechtlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Aufsicht und Regulierung unterliegen.
3. Bei der im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vorzunehmenden Prüfung, ob zwei Arten von Geldspielautomaten gleichartig sind und die gleiche Behandlung hinsichtlich der Mehrwertsteuer erfordern, ist zu prüfen, ob die Benutzung dieser Gerätearten aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers vergleichbar ist und dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigt, wobei insoweit insbesondere Gesichtspunkte wie die Mindest- und Höchsteinsätze und -gewinne und die Gewinnchancen berücksichtigt werden können.
4. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger, der die Verletzung dieses Grundsatzes geltend macht, nicht die Erstattung der für bestimmte Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer verlangen kann, wenn die Steuerbehörden des betreffenden Mitgliedstaats gleichartige Dienstleistungen in der Praxis wie steuerfreie Umsätze behandelt haben, obwohl diese Leistungen nach der einschlägigen nationalen Regelung nicht mehrwertsteuerfrei sind.
5. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der vom Ermessen nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL Gebrauch gemacht und die Bereitstellung jeglicher Vorrichtungen zum Spielen von Glücksspielen von der Mehrwertsteuer befreit, von dieser Befreiung jedoch eine Kategorie von bestimmte Kriterien erfüllenden Geräten ausgenommen hat, gegen einen auf die Verletzung dieses Grundsatzes gestützten Antrag auf Mehrwertsteuererstattung nicht einwenden kann, mit der gebotenen Sorgfalt auf die Entwicklung einer neuen Geräteart, die diese Kriterien nicht erfüllt, reagiert zu haben.
Normenkette
Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG)
Sachverhalt
Die Glücksspielgeräte im Streitfall waren – teilweise unstreitig – vergleichbar. Die Befreiung in UK hing (z.B. beim Bingo) von der Höhe des Einsatzes und Gewinns ab. Ein Unterschied bestand in deren Höhe.
Entscheidung
Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
Die Entscheidung betrifft Glücksspielgeräte mit Geldeinsatz in UK, im Wesentlichen aber die Reichweite der Wettbewerbsneutralität der USt.
1. Das maßgebliche Wettbewerbsverhältnis ergibt sich aus den Leitsätzen 1 und 2. Die Leistungen müssen ähnliche Eigenschaften haben, deren Verwendung muss beim Verbraucher dieselben Bedürfnisse bedienen und die bestehenden Unterschiede dürfen die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers nicht erheblich beeinflussen. Rechtsform der Leistungserbringung und Verbotswidrigkeit oder – wie hier – unterschiedliche Lizenzkategorien sind ohne Bedeutung. Ausnahmen könnten die Besonderheiten eines Wirtschaftszweigs und dessen rechtliche Rahmenbedingungen erfordern (EuGH-Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln und Regulierung von Postdienstleistungen). Eine systematisch überzeugende Erklärung für den Unterschied zu diesen Fällen bleibt der EuGH schuldig.
2. Zur Befreiung von Glücksspielen gibt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten einen Spielraum. Es dürfen unterschiedliche Kategorien von Glücksspielen befreit werden. Eine Differenzierung in derselben Kategorie unter Berücksichtigung von "Detailunterschieden in der Struktur, den Modalitäten oder den Regeln" ist jedoch grundsätzlich nicht zulässig. Zulässig dagegen ist eine Differenzierung, die die Entscheidungskriterien des Verbrauchers berücksichtigt. Daher kann die Höhe des Einsatzes und die Gewinnchance berücksichtigt werden.
3. Klargestellt hat der EuGH: Kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Nicht anders als nach den nationalen allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang zu bringen, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen began...