Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Weist ein Unternehmer einen zu hohen Steuerbetrag in einer Rechnung aus (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Differenzbetrag zur korrekten Umsatzsteuer. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG entsteht die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer in dem Zeitpunkt, in dem auch die Umsatzsteuer für die Lieferung oder sonstige Leistung entsteht, spätestens aber im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung.
Unrichtig ausgewiesene Steuerbeträge liegen insbesondere vor, wenn sich der Unternehmer in der Höhe der ausgewiesenen Umsatzsteuer verrechnet, anstelle des ermäßigten Steuersatzes den Regelsteuersatz ansetzt oder z. B. einen verdeckten Preisnachlass im Autohandel nicht erkennt. Ein unrichtiger Steuerausweis kann aber auch durch Nichterkennen einer Steuerbefreiung oder einen Irrtum über den zutreffenden Ort einer Leistung oder den zutreffenden Steuerschuldner entstehen.
Der BFH hat jedoch in einem Fall der Ausstellung einer berichtigten Rechnung, in der erstmalig ein zu hoher Steuerausweis erfolgte, entgegen der bisherigen Feststellung in Abschn. 13.7 UStAE entschieden, dass die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die berichtigte Rechnung erteilt worden ist. Die Finanzverwaltung nimmt dieses Urteil auf und stellt fest, dass der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass eine nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer grundsätzlich nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums entstehen kann, in dem die Rechnung erteilt worden ist.
Regelmäßig wird der leistende Unternehmer aber nicht erkennen, dass es sich bei seinem Steuerausweis um einen (ganz oder teilweise) unrichtigen Steuerausweis handelt, da er ansonsten eine korrekte Rechnung ausgestellt hätte. Die Finanzverwaltung beanstandet es deshalb aus Vereinfachungsgründen nicht, wenn der Unternehmer den Mehrbetrag zusammen mit der für die Leistung geschuldeten Steuer anmeldet, auch wenn die Rechnung erst in einem späteren Voranmeldungszeitraum erteilt wird.
Die Finanzverwaltung hatte schon früher festgestellt, dass die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer, die für eine nicht steuerbare oder eine nicht steuerpflichtige Leistung ausgewiesen wird, erst im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung entsteht.
Konsequenzen für die Praxis
Die Ergänzung der Verwaltungsauffassung ist konsequent und setzt die 2012 begonnene richtlinienkonforme Ausgestaltung der Regelungen zur Steuerentstehung bei einem unrichtigen Steuerausweis konsequent fort. Es war schon früher nicht logisch, dass eine Umsatzsteuer entstehen sollte, bevor das eigentlich auslösende Element – die Rechnung – in der Welt ist. Nachdem schon bei dem unrichtigen Steuerausweis bei nicht steuerbaren oder nicht steuerpflichtigen Leistungen auf die Ausgabe der Rechnung abgestellt wurde, wird nun auch die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer entsprechend geregelt, die neben einer steuerbaren und steuerpflichtigen Leistung entsteht.
Zutreffend ist aber die Feststellung der Finanzverwaltung, dass der Unternehmer es regelmäßig nicht erkennen wird, dass er einen solchen unrichtigen Steuerausweis vorgenommen hat, da er ihn i. d. R. ansonsten unterlassen hätte. Aus diesem Grund ist die Vereinfachungsregelung, dass die Mehrsteuer auch schon zusammen mit der korrekt ausgewiesenen Umsatzsteuer angemeldet werden kann, sinnvoll.
Im Regelfall wird der Steuerpflichtige die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer aber unter einer falschen Position gegenüber dem Finanzamt anmelden. Grundsätzlich sind die Umsatzsteuerbeträge aufgrund einer ausgeführten Lieferung oder sonstigen Leistung getrennt von dem unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis anzumelden.
Die Grundsätze des Schreibens sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 2.4.2015, IV D 2 – S 7270/12/10001, BStBl 2015 I S. 272.