Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Der Einwurf einer Steuererklärung am letzten Tag der Antragsfrist ist auch fristwahrend, wenn er beim unzuständigen Finanzamt erfolgt. Zur Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist ist es zudem ausreichend, wenn ein Veranlagungsantrag am Tag des Ablaufs der Festsetzungsfrist bis 24:00 Uhr beim Finanzamt eingeht.
Sachverhalt
Der Kläger warf seinen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG für 2009 am 31.12.2013 gegen 20.00 Uhr beim unzuständigen Finanzamt A in den Nachtbriefkasten ein. Die Erklärung ging erst im Jahr 2014 beim zuständigen Finanzamt B ein.
Das Finanzamt B lehnte die Durchführung der Veranlagung mit der Begründung ab, dass der Antrag nicht innerhalb der 4-jährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 EStG beim zuständigen Finanzamt gestellt worden sei. Der Ansicht des Klägers, dass es keine entscheidende Rolle spiele, bei welchem Finanzamt die Erklärung eingeworfen werde, solange dies fristwahrend noch am 31.12.2013 erfolgt sei, folgte das Finanzamt B dabei ausdrücklich nicht.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat dem Kläger Recht gegeben und das Finanzamt B verpflichtet, die Einkommensteuerveranlagung für 2009 durchzuführen. Die Antragstellung sei innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgt und führe demzufolge zur Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO.
Nach der herrschender Meinung sei ein Antrag nach § 171 Abs. 3 AO zwar erst "gestellt", wenn er bei der zuständigen Behörde eingehe. Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht für den vorliegenden Fall, in dem die Verfahrenshandlung bzw. Antragstellung durch einen steuerlich nicht beratenen Bürger erfolgt sei. Soweit eine Verfahrenshandlung bzw. Antragstellung bei der örtlich zuständigen Finanzbehörde zu erfolgen habe, werde dies im Gesetz ausdrücklich benannt, z. B. für die Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle (§ 151 AO) oder für die Einlegung eines Einspruchs (§ 357 Abs. 2 AO). Eine entsprechende Regelung fände sich aber weder in § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG noch in § 171 Abs. 3 AO.
Hinweis
Das Finanzamt hat unter dem Az. VI R 37/17 die vom Finanzgericht zugelassene Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Dieser wird neben der hier in stehenden Rechtsfrage auch die Frage entscheiden müssen, ob es zur Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist ausreichend ist, wenn der Veranlagungsantrag am Tag des Fristablaufs bis 24:00 Uhr beim (zuständigen) Finanzamt eingeht, oder ob eine wirksame Antragstellung nur zu den behördenüblichen Öffnungszeiten erfolgen kann.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 23.05.2017, 1 K 1637/14