Leitsatz
1. Den Widerruf einer Freistellungsbescheinigung i.S.d. § 50d Abs. 2 S. 1 EStG kann der Vergütungsschuldner anfechten.
2. Überlässt eine im Ausland ansässige Gesellschaft einer inländischen Rundfunkanstalt Live-Fernsehübertragungsrechte an inländischen Sportveranstaltungen zur Ausstrahlung im Inland, so erzielt sie mit den dafür erhaltenen Vergütungen Einkünfte durch im Inland verwertete sportliche Darbietungen i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG, die gem. § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG (a.F.) dem Steuerabzug unterliegen. Das gilt auch dann, wenn die ausländische Gesellschaft die Rechte ihrerseits von dem originären Rechteinhaber erworben hat.
3. Erhält eine in der Schweiz ansässige Gesellschaft Vergütungen für die Überlassung von Live-Fernsehübertragungsrechten an inländischen Sportveranstaltungen, so dürfen diese nach dem DBA Schweiz nicht in Deutschland besteuert werden (entgegen BMF, Schreiben vom 30.05.1995, BStBl I 1996, 89, dort Tz. 6).
Normenkette
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 50d Abs. 2 S. 1 EStG, § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG a.F., Art. 17 Abs. 1 S. 2 DBA-Schweiz
Sachverhalt
Die Klägerin zu 1. ist ein Schweizer Verein, der in der Schweiz von der Ertragsteuer befreit ist. Ihre Mitglieder sind verschiedene Hörfunk- und Fernsehanstalten aus den Ländern der sog. Europäischen Rundfunkzone. Eine ihrer Hauptaufgaben besteht darin, Fernsehübertragungsrechte an Sportveranstaltungen mit europaweitem Interesse von dem jeweiligen Veranstalter zu erwerben und dabei die Finanzkraft der nationalen Rundfunkanstalten zu bündeln.
Der Kläger zu 2. ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Er ist Mitglied der Klägerin zu 1.
Der Erwerb der Fernsehübertragungsrechte durch die Klägerin zu 1. und deren gemeinsame Nutzung durch ihre Mitglieder vollzogen sich auf zwei Arten:
Zum einen erwarb sie vom Veranstalter der jeweiligen Sportveranstaltung gegen Entgelt die übertragbare Berechtigung ("transferable right"), den Veranstaltungsort mit der zur Produktion eines Fernsehsignals (Bild- und Tonsignal) erforderlichen Ausrüstung zu betreten und das Signal dort zu erstellen. Diese Berechtigung überließ die Klägerin zu 1. einem im jeweiligen Land ansässigen Mitglied, das auf dieser Grundlage als sog. "Host-Broadcaster" vor Ort das Fernsehsignal erstellte. Das auf diese Weise erstellte Fernsehsignal wurde vom Host-Broadcaster in seinem eigenen Sendegebiet genutzt.
Zum anderen erwarb die Klägerin zu 1. vom Veranstalter der Sportveranstaltung ein fertiges Fernsehsignal, das unter Einschaltung eines dritten "Broadcasters" erstellt wurde. Sie stellte dieses wiederum ihren Mitgliedern zur Verfügung.
Die Mitglieder der Klägerin zu 1. waren verpflichtet, Beiträge für operative Maßnahmen zu entrichten. Diese umfassten insbesondere die Kosten für den Erwerb der Übertragungsrechte. Insoweit musste auch der Kläger zu 2. Zahlungen für konkrete Sportveranstaltungen im Inland an die Klägerin zu 1. leisten. Um diese Zahlungen ging es im Streitfall.
Auf Antrag der Klägerin zu 1. erteilte das (damalige) Bundesamt für Finanzen (BfF) und (heutige) Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine Freistellungsbescheinigung gem. § 50d Abs. 2 S. 1 EStG, die sich auf Vergütungen für die Nutzung oder das Recht auf Nutzung von Urheberrechten und/oder für ähnliche Leistungen bezog, die der Kläger zu 2. an die Klägerin zu 1. zahlte. Die Freistellungsbescheinigung erging unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Auf einen erneuten Antrag hin erteilte das BfF, wiederum unter dem Vorbehalt des Widerrufs, eine weitere Freistellungsbescheinigung gleichen Inhalts. Sodann hob das BfF die vorgenannten Bescheinigungen mit Wirkung für die Zukunft auf und ersetzte sie durch eine neue Freistellungsbescheinigung. Enthalten war jedoch des Weiteren die ausdrückliche Einschränkung, dass die Freistellung nicht für Vergütungen galt, die für Live-Übertragungen von im Inland stattfindenden Sportveranstaltungen gezahlt wurden.
Den hiergegen von der Klägerin zu 1. eingelegten Einspruch wies das BfF als unbegründet zurück. Den Einspruch des Klägers zu 2. verwarf das BfF als unzulässig. Der anschließenden Klage gab das FG statt (FG Köln, Urteil vom 16.11.2006, 2 K 1510/05, Haufe-Index 1680950, EFG 2007, 360).
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil in der Sache bestätigt und die entgegengesetzte Auffassung der Finanzverwaltung (im BMF-Schreiben vom 30.05.1995, BStBl I 1996, 89, dort Tz. 6) verworfen. Das betrifft insbesondere die abkommensrechtliche Zuordnung des Besteuerungsrechts für die überlassenen Live-Übertragungsrechte. Die Vergütung für diese Überlassung habe nichts mit der eigentlichen sportlichen Darbietung zu tun, was wiederum nach Art. 17 OECD-MA das Besteuerungsrecht desjenigen Staats nach sich zöge, in dem der Rechteüberlasser ansässig sei.
Hinweis
Das Urteil enthält für einschlägige Sachverhalte drei wichtige (und schon aus den drei Leitsätzen ersichtliche) Aussagen:
1. Es ist umstritten, ob die Versagung einer Freistellungsbescheinigung i.S.v. § 50d Abs. 2 EStG nur vom – beschrän...