Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können den Zeitpunkt des Zuflusses einer Abfindung oder eines Teilbetrags einer solchen beim Arbeitnehmer in der Weise steuerwirksam gestalten, dass sie deren ursprünglich vorgesehene Fälligkeit vor ihrem Eintritt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Normenkette
§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG, § 42 AO, § 77 Abs. 4 BetrVG
Sachverhalt
Frau K erhielt bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 01 eine Abfindung, die nach dem Sozialplan im Jahr 01 fällig war. K trat noch 01 in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einer Auffanggesellschaft. Noch vor Fälligkeit vereinbarten K, ihre bisherige und auch ihre jetzige Arbeitnehmerin, den steuerpflichtigen Teil der Abfindung erst im Jahr 02 auszuzahlen.
Das FA erfasste auch den steuerpflichtigen Teil der Abfindung bereits im Jahr 01. Zu Unrecht, so das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2008, 3 K 101/05, Haufe-Index 2094133, EFG 2009, 394).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG aus den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Gründen.
Hinweis
Ist eine Abfindung nach dem Sozialplan bereits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 01 fällig, vereinbaren die Parteien des Arbeitsvertrags indes, den steuerpflichtigen Betrag im folgenden Jahr (02) auszuzahlen, weil das für den Arbeitnehmer günstiger ist, spricht eigentlich alles für einen Zufluss erst im Jahr 02.
Dieser Eindruck trügt nicht. Denn nach § 11 Abs. 1 EStG bezieht der Arbeitnehmer nicht laufend gezahlten Arbeitslohn (also z.B. die Abfindung) in dem Kalenderjahr, in dem er ihm zufließt. Er muss über den Arbeitslohn wirtschaftlich verfügen können. Die Fälligkeit allein führt nicht zum Zufluss. Die Parteien des Arbeitsvertrags können zivilrechtlich den Erfüllungszeitpunkt und damit auch die steuerrechtliche Zuordnung der Erfüllung zu einem Veranlagungszeitraum gestalten. Sie können jedenfalls vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit eine vorherige Vereinbarung wieder ändern.
Dieser Vertragsänderung steht eine etwaige Vorrangigkeit des Sozialplans nicht entgegen. Zwar gelten Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG – dazu gehört ein Sozialplan – unmittelbar und zwingend. Jedoch gilt im Verhältnis zwischen Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Regelung das Günstigkeitsprinzip.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.11.2009 – IX R 1/09