Prof. Dr. Gerd Waschbusch
3.1.1 Qualifizierung der stillen Vermögenseinlage als bilanzielles Eigenkapital oder bilanzielles Fremdkapital
Rz. 43
Hinsichtlich der handelsrechtlichen Behandlung der Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters beim Geschäftsinhaber existieren bislang noch keine allseits anerkannten Grundsätze. Übereinstimmend anerkannt ist lediglich der Ansatz der Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters auf der Passivseite der Bilanz des Geschäftsinhabers. Höchst umstritten ist dagegen die Beantwortung der Frage, unter welchem Passivposten die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters in der Handelsbilanz des Geschäftsinhabers anzusetzen ist. Zum einen wird ein verpflichtender Ansatz der stillen Beteiligung im bilanziellen Fremdkapital vorgeschlagen. Als Grund hierfür wird z. B. angeführt, dass es sich bei der Verpflichtung zur Rückzahlung der Vermögenseinlage "um eine betagte und damit passivierungspflichtige Verbindlichkeit" handele. Zum anderen wird für die Erfassung der stillen Gesellschaft in der Handelsbilanz des Geschäftsinhabers die Bildung einer Rückstellung als notwendig erachtet, da bei der Auflösung der stillen Gesellschaft die Höhe des Rückzahlungsbetrags ungewiss sei. Ferner gibt es Ansichten in der Literatur, die in diesem Zusammenhang den Ansatz eines Sonderpostens zwischen dem bilanziellen Eigen- und Fremdkapital als sachgerecht ansehen. Darüber hinaus wird die Erfassung der Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters innerhalb des bilanziellen Eigen- oder Fremdkapitals von der konkreten Ausgestaltung der stillen Gesellschaft abhängig gemacht. So dient z. B. eine vorhandene Verlustbeteiligung des stillen Gesellschafters als entscheidendes Kriterium für die Einordnung der stillen Gesellschaft als bilanzielles Eigenkapital. Dagegen gibt es aber auch Ansichten in der Literatur, die das Kriterium der Verlustbeteiligung allein nicht als hinreichend für die Einordnung der stillen Gesellschaft als bilanzielles Eigenkapital ansehen.
Rz. 44
Schließlich besteht in der Literatur die zutreffende Ansicht, dass die in der Stellungnahme 1/1994 des HFA des IDW "Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften" geforderten Kriterien für eine Qualifikation von Genussrechtskapital als bilanzielles Eigenkapital auf das Rechtsinstitut der Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters analog anzuwenden sind. Gemäß der Stellungnahme 1/1994 des HFA des IDW liegt bilanzielles Eigenkapital vor, wenn die Merkmale der Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung im Insolvenz- oder Liquidationsfall der kapitalaufnehmenden Gesellschaft, der Erfolgsabhängigkeit der Vergütung, der Teilnahme am laufenden Verlust bis zur vollen Höhe sowie der Nachhaltigkeit (Längerfristigkeit) der Kapitalüberlassung kumulativ erfüllt sind.
Rz. 45
Sind sämtliche vorstehend genannten Kriterien erfüllt, so ist die stille Vermögenseinlage als bilanzielles Eigenkapital in der Handelsbilanz des Geschäftsinhabers auszuweisen. Liegen allerdings nicht alle vorstehend genannten Kriterien kumulativ vor, so ist die stille Vermögenseinlage in der Handelsbilanz des Geschäftsinhabers dem bilanziellen Fremdkapital zuzuordnen. Ein Ausweis der stillen Vermögenseinlage als Sonderposten zwischen dem bilanziellen Eigen- und Fremdkapital kommt dagegen nicht in Betracht.