Prof. Dr. Gerd Waschbusch
1 Einführung
Rz. 1
Die Gründung einer stillen Gesellschaft (synonym hierfür stille Beteiligung) erweist sich insbesondere für solche Unternehmen als vorteilhaft, denen der direkte Zugang zum Kapitalmarkt verwehrt bleibt. Eine Unternehmensfinanzierung im Wege der Bildung einer stillen Gesellschaft ist von daher in der Praxis überwiegend bei Einzelunternehmen und bei Personenhandelsgesellschaften zu beobachten. Ein stiller Gesellschafter kann aber auch jeder anderen beliebigen Rechtsform, also z. B. auch einer (kapitalmarktorientierten) Kapitalgesellschaft oder einer eingetragenen Genossenschaft, beitreten.
2 Rechtliche Grundlagen der stillen Gesellschaft
2.1 Begriffsmerkmale der stillen Gesellschaft
Rz. 2
Das Handelsgesetzbuch enthält keine gesetzliche Definition für den Begriff der stillen Gesellschaft. Aus den §§ 230–236 HGB können lediglich verschiedene Merkmale abgeleitet werden, anhand derer sich der Begriff und das Wesen einer stillen Gesellschaft erschließen lässt. Danach beteiligt sich ein stiller Gesellschafter an dem von einem anderen ausgeübten Handelsgewerbe mit einer Vermögenseinlage. Diese Vermögenseinlage kann in Geld, Sachwerten, Lizenzen, geldwerten Dienstleistungen, Gebrauchsüberlassungen und Geschäftsbeziehungen geleistet werden und muss bei dem Inhaber des Handelsgeschäfts zu einem Vermögenswert führen, da die Vermögenseinlage derart zu leisten ist, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht. Die effektive Aufbringung der Vermögenseinlage ist hierbei jedoch keine notwendige Voraussetzung, vielmehr reicht die Vereinbarung einer Pflicht zur Beitragsleistung aus. Nach Schmidt liegt eine stille Gesellschaft i. S. d. HGB vor, wenn "zwischen einem kaufmännischen Rechtsträger (das HGB sagt: Inhaber des Handelsgeschäfts) und einem anderen (stillen Gesellschafter) zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks ein Gesellschaftsvertrag geschlossen worden [ist; Anm. d. Verf.], kraft dessen der andere ohne Bildung eines Gesellschaftsvermögens mit einer Einlage am kaufmännischen Unternehmen (das HGB sagt: Handelsgewerbe) beteiligt ist, und eine Gewinnbeteiligung erhält". In Anlehnung an diese Begriffsdefinition müssen die folgenden Merkmale kumulativ gegeben sein, damit eine stille Gesellschaft i. S. d. §§ 230–236 HGB vorliegt:
- Es muss ein stiller Gesellschafter (natürliche oder juristische Person) gegeben sein. Stiller Gesellschafter kann grundsätzlich jeder Rechtsträger sein, und zwar unabhängig von seinem Sitzland und seiner Rechtsform.
- Der Vertragspartner des stillen Gesellschafters muss Kaufmann i. S. d. §§ 1 ff. HGB sein. Bei Vorliegen eines sonstigen Unternehmensträgers ist eine analoge Anwendung der §§ 230 ff. HGB zulässig.
- Es muss ein Vertrag mit der gegenseitigen Verpflichtung der Beteiligten zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks, also ein Gesellschaftsvertrag zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Kaufmann i. S. d. §§ 1 ff. HGB vorliegen.
- Nach dem Gesellschaftsvertrag muss der stille Gesellschafter mit einer Vermögenseinlage am Handelsgeschäft des Kaufmanns i. S. d. §§ 1 ff. HGB beteiligt sein, die nicht zur Bildung von Gesellschaftsvermögen führt.
- Der stille Gesellschafter muss gemäß § 231 Abs. 1 und Abs. 2 HGB am Gewinn des Kaufmanns i. S. d. §§ 1 ff. HGB beteiligt sein.