Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkungen der Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens auf die Geltendmachung des Anfechtungsanspruches
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens unterbricht die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs durch Duldungsbescheid gem. § 191 Abs. 1 S. 2 AO, § 17 AnfG, § 313 Abs. 2 InsO. Das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheids wird hiervon nicht erfasst.
2. Beantragt das FA nach der Anfechtung einer Grundstücksübertragung des Steuerschuldners auf seinen Ehegatten durch Duldungsbescheid die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek, die nach Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens und nach Stellung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheid eingetragen wird, unterfällt diese Maßnahme der Zwangsvollstreckung gem. § 89 InsO und ist damit materiell-rechtlich unwirksam.
3. Umfasst der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheids nach der während des vereinfachten Insolvenzverfahrens erfolgten Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auch die Aufhebung der Vollziehung, ist die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids – bei hier ausnahmsweise fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis – ernstlich zweifelhaft i. S. d. § 69 Abs. 2 S. 2 FGO. Das FA ist als Insolvenzgläubiger grundsätzlich auf die Anmeldung der Forderung zur Tabelle zu verweisen. Die Eintragung der Sicherungshypothek ist als bewirkte Zwangsvollstreckungsmaßnahme rückgängig zu machen.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1 S. 2, § 322 Abs. 2, §§ 251, 257; AnfG §§ 17, 4; FGO § 69 Abs. 3 S. 2, Abs. 2 S. 2; InsO § 89 Abs. 3, §§ 38, 304, 87, 313 Abs. 2, § 311; ZPO §§ 240, 766; BGB §§ 894, 812; GBO § 19
Nachgehend
Tenor
1. Die Vollziehung des Duldungsbescheides des Finanzamtes A-Stadt vom 18.05.2009 (Geschäftszeichen 159/277/04185 VOV III/4) wird bis zu einer Entscheidung des Finanzamtes A-Stadt über den dort anhängigen Einspruch ausgesetzt. Die Vollziehungsmaßnahme der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek zu 315.248,29 EUR für den Freistaat Thüringen im Grundbuch von B-Stadt (Amtsgericht C-Stadt), Bl. 420, Grundstück in der Gemarkung B-Stadt, Flur 1, Flurstück 2/72, Dritte Abteilung, lfd. Nr. 2, wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Ehefrau des Antragstellers schuldet dem Freistaat Thüringen Abgaben, die sich nach Berechnung des Finanzamtes A-Stadt vom 15.05.2009, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Duldungsakten, Bl. 44) auf insgesamt 315.248,29 Euro beliefen.
Mit dem angegriffenen Duldungsbescheid vom 18.05.2009 (Duldungsakte, Bl. 42) focht das Finanzamt A-Stadt wegen dieser Abgaben gem. § 4 Anfechtungsgesetz i.V.m. § 191 AO die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück in C-Stadt von der Abgabenschuldnerin an den Antragsteller an.
Es handelt sich um ein Grundstück von 744 m², eingetragen im Grundbuch von B-Stadt (Amtsgericht C-Stadt), Bl. 420, Flur 1, Flurstück 2/72, welches ehemals die Anschrift X-Straße 1 hatte. Die Eltern des Antragstellers hatten dieses Grundstück dem Antragsteller im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Eigentum übertragen. Mit notariellem Vertrag vom 05.07.1991 (Urkundenrolle Nr. 337/1991) übertrug der Antragsteller das Eigentum an diesem Grundstück auf seine Ehefrau. Unter § 3 dieses Vertrages einigten sich die Parteien auf eine unentgeltliche Rückübertragung für den Fall der Scheidung und unter § 4 vereinbarten sie ein Veräußerungs- und Belastungsverbot. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die in der Duldungsakte befindliche Kopie (Bl. 28 ff) Bezug genommen. Am 26.06.1996 wurde auf Grund der in § 4 des Vertrages vom 05.07.1991 enthaltenen Bewilligung zu Gunsten des Antragstellers eine Rückauflassungsvormerkung in Abteilung 2 des Grundbuchblattes eingetragen. Wegen der Einzelheiten der Grundbucheintragung wird auf die Kopie des Grundbuchblattes (Duldungsakte, Bl. 20 ff) Bezug genommen.
Mit notarieller Erklärung vom 29.07.2008 bestellte die Ehefrau des Antragstellers zu dessen Gunsten an dem Grundstück eine Grundschuld i.H.v. 20.000 Euro zzgl. Zinsen. Wegen des Inhalts dieser Willenserklärung wird auf die in der Duldungsakte befindliche Kopie (Bl. 73 ff) ergänzend Bezug genommen. Mit notarieller Einigung vom 19.11.2008 übertrug die Ehefrau dem Antragsteller das Eigentum an dem Grundstück, welches nunmehr die Anschrift B-Straße 1 führte. Wegen des Inhaltes des Überlassungsvertrages wird auf die in der Duldungsakte befindliche Kopie (Bl. 14 ff) Bezug genommen.
Der Duldungsbescheid wurde dem Antragsteller am 19.05.2009 bekannt gegeben. Dessen Einspruch ging am 17.06.2009 beim Finanzamt A-Stadt ein. Zugleich stellte der Antragsteller einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheides, welcher am 30.09.2009 abgelehnt wurde.
Am 13.07.2009 stellte die Ehefrau des Antragstellers einen eigenen Antrag auf Einleitung eines Insol...