rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsätze aus von Privatlehrern erteiltem Unterricht sind steuerfrei
Leitsatz (redaktionell)
1. Da die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL genannte Verpflichtung, von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Steuer zu befreien, inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist und vom deutschen Gesetzgeber nicht bzw. nicht vollständig in innerstaatliches Recht umgesetzt wurde, können sich die dem deutschen UStG unterliegenden Steuerpflichtigen (Unternehmer) unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. MwStSystRL berufen.
2. Auch an Vorschul- und Schulkinder erteilter Englischunterricht ist „Schulunterricht” im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL. Schulunterricht in diesem Sinne ist nicht unmittelbar nur Schulunterricht, sondern auch (damit zusammenhängender) Unterricht, der sich auf Schulunterricht bezieht, insbesondere darauf vorbereitet.
3. „Privatlehrer” im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL sind solche Unterrichtende bzw. Lehrkräfte, die für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln. Der Unterrichtende muss lediglich bestimmte Mindestqualifikationen vorweisen; nicht erforderlich ist, dass er ein Hochschulstudium absolviert oder die Befähigung zum Lehramt erworben hat.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 21 Buchst. b; EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. j
Tenor
1. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 30.12.2013 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22.12.2015 werden aufgehoben. Der Beklagte wird dazu verpflichtet, die Umsatzsteuer für 2009 in Abänderung der Steueranmeldung der Klägerin vom 04.02.2011 auf 0 EUR festzusetzen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Umsätze der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als selbständige Englischlehrerin umsatzsteuerfrei sind.
Die Klägerin unterrichtet seit Januar 2005 als selbständige Dozentin Kinder in Kindergärten sowie in Grundschulen der ersten und zweiten Klassenstufen in englischer Sprache. Im Streitjahr führte sie ausschließlich Umsätze aus dieser Tätigkeit aus. Die Klägerin arbeitet im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Sie wird von den Eltern der Kinder beauftragt. Die Unterrichtsräume mietete die Klägerin von den Eigentümern oder sie wurden ihr unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Die Klägerin begann ihren Unterricht im Jahr 2005 zunächst in zwölf Einrichtungen mit insgesamt etwa 190 Kindern. Mittlerweile findet der Unterricht in 24 Einrichtungen mit etwa 480 Schülern statt. Der Unterricht wird als Gruppenunterricht erteilt. Die Gruppengröße beträgt zwischen 6 und 28 Schüler.
Der Unterricht hat zum Ziel, den Kindern spielerisch Vorkenntnisse der englischen Sprache zu vermitteln, um ihnen den Einstieg in den regulären Unterricht ab der 3. Klasse zu erleichtern. Der Englischunterricht der Klägerin erfolgt nach den Feststellungen des Gerichts aufgrund eines sorgfältig von der Klägerin vorbereiten, qualifizierten Lernkonzepts, das die Klägerin dem Gericht und dem Beklagten (das Finanzamt – FA –) durch Vorlage ihres 23-seitigen Exposés gut verständlich veranschaulicht hat. Für die einzelnen Unterrichtsstunden verwendet die Klägerin speziell auf die Qualifikation und die Bedürfnisse der jeweiligen Schüler ausgerichtete, von ihr erstellte Arbeitsbögen, die den Kindern eine visuelle Lernorientierung sowie überdies eine nachträgliche Lernkontrolle ermöglichen. Für das Erstellen ihrer Lehrpläne verwendete die Klägerin Fachliteratur auch bekannter und renommierter Schulbuchverlage sowie für die musikalische Umsetzung – aus Rücksicht auf die Originalaussprache – CD's mit Herkunft aus Großbritannien. Ausweislich der dem Exposé beispielhaft beigefügten Arbeitsbögen zum Thema „easter and spring” und den Ausführungen der Klägerin ist für das Gericht gut nachvollziehbar, dass die Unterrichtsstunden logisch aufeinander aufbauen und der Unterricht es den Kindern insgesamt ermöglicht, sich ein gewisses Grundwissen der englischen Sprache aneignen zu können, einschließlich typischer Redewendungen und unter Berücksichtigung einer von Beginn an korrekten Aussprache des Oxford Englisch, insbesondere der Buchstabenkombination „th”. Die Schulleiterin einer Grundschule, die mehrfach Einblick in die Unterrichtstätigkeit der Klägerin hatte, bezeichnete die Klägerin in einer schriftlichen Stellungnahme als „pädagogisch wertvolle Kraft, die in ihrem Unterricht auf spielerische Weise Stoffgebiete einführt und festigt”. Eine Fachlehrerin Englisch einer anderen Grundschule hat der Klägerin...