Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers auf Erlass eines Abrechnungsbescheids. Reihenfolge der Veranstaltungen als Reihenfolge der Tilgungen der Steuerschulden des Vergütungsschuldners
Leitsatz (redaktionell)
1. In einem Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO können auch Streitigkeiten über Fragen der Wirksamkeit einer Zahlung durch die Verbuchung auf eine nicht gewünschte Schuld entschieden werden.
2. Der ausländische Vergütungsgläubiger hat als Steuerschuldner nach § 50a Abs. 5 S. 4 EStG grundsätzlich einen Anspruch auf Erlass eines Abrechnungsbescheides. Denn die Frage, ob und in welcher Höhe Zahlungen des Vergütungsschuldners auf die einbehaltenen und angemeldeten Steuern des Vergütungsgläubigers anzurechnen sind, hat Auswirkung auf die dem Vergütungsgläubiger eventuell nach § 50d Abs. 1 S. 2 EStG zu erstattenden Steuerbeträge.
3. Abzugssteuer gem. § 50a Abs. 4 EStG sind nicht bereits mit Einbehaltung durch den Vergütungsschuldner als getilgt anzusehen. Zwar kann der Vergütungsschuldner im Rahmen dieses Steuerabzugsverfahrens gegenüber dem ausländischen Steuerschuldner als eine Art „verlängerter
Arm der Verwaltung” wahrgenommen werden, dies kann jedoch nicht dazu führen, dass bereits die von ihm einbehaltende Steuer, entgegen dem Wortlaut des § 224 AO, als an den Staat entrichtet anzusehen ist.
4. Die vom FA nach der zeitlichen Abfolge der einzelnen Veranstaltungen des Vergütungsschuldners vorgenommene Tilgungsreihenfolge der von diesem angemeldeten Steuerschulden liegt innerhalb des Ermessensspielraums des FA. Der Vergütungsgläubiger kann keine abweichende Reihenfolge bestimmen.
5. Offen blieb, ob die Regelung des § 50d Abs. 1 S. 2 EStG, wonach nur die vom Vergütungsschuldner gezahlte Steuer zu erstatten ist, der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 und 50 EG entgegensteht.
Normenkette
EStG 2002 § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 4; AO § 218 Abs. 2; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 50d Abs. 1 S. 2; AO § 224 Abs. 2, § 225; EStDV § 73e; EG Art. 49-50
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die vom Vergütungsschuldner beim damals zuständigen Finanzamt angemeldeten, aber teilweise nicht abgeführten Abzugssteuern für die Klägerin als getilgt anzusehen sind.
Die Klägerin ist eine Künstlergestellungsfirma mit Sitz in X-Stadt, Österreich. Sie erzielte im 2. Kalendervierteljahr 2002 Einkünfte für die die Einkommensteuer gem. § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Wege des Steuerabzugs zu erheben war. Als Künstlergestellungsfirma für im Inland ausgeübte künstlerische Darbietungen bezog sie Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2. d EStG.
Am 5. Juni 2002 schloss die Klägerin einen Vertrag mit der in A-Stadt ansässigen Firma AABBCCDD Gesellschaft für Programm, Produktion, Sponsoring und Beratung mbH (nachfolgend: AABBCCDD) über 6 Aufführungen der Produktion „XY” bei den ABC-Festspielen in ABC-Stadt. Die vereinbarten Aufführungen fanden an 6 Tagen in 2002 in ABC-Stadt statt. Im Vertrag wurde für die 6 Aufführungen ein Gesamthonorar in Höhe 101.700,00 Euro vereinbart. Darüber hinaus war in dem Vertrag vereinbart worden, dass die AABBCCDD die Abzugssteuern einbehalten und das Honorar entsprechend kürzen werde. Nach Vorlage der von der Klägerin beantragten Freistellungsbescheinigung, sollte der einbehaltene Betrag ausgezahlt werden. Gemäß dem vorliegenden Vertrag und der dem Beklagten ebenfalls vorliegenden Abrechnungen der AABBCCDD erhielt die Klägerin folgende Zahlungen (Beträge in Euro):
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Tag1 02 |
Tag2 02 |
Tag3 02 |
Tag4 02 |
Gesamt |
Auszahlungsbetrag |
25.425,00 EUR |
10.000,00 EUR |
25.598,18 EUR |
11.853,45 EUR |
74.876,63 EUR |
Steuerabzug |
8.633,27 EUR |
3.395,58 EUR |
9.371,20 EUR |
4.024,94 EUR |
25.424,99 EUR |
Solidaritätszuschlag |
474,83 EUR |
186,76 EUR |
515,42 EUR |
221,37 EUR |
1.398,38 EUR |
gesamt |
34.533,10 EUR |
13.582,34 EUR |
37.484,80 EUR |
16.099,76 EUR |
101.700,00 EUR |
Die AABBCCDD (Vergütungsschuldnerin) meldete, mit der am 24. Juli 2002 beim Finanzamt eingegangen Steueranmeldung über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige, folgendes an:
Bruttoeinnahmen 50a Abs. 4 Nr.1 EStG:
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163.167,00 EUR |
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Steuerabzug |
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40.791,95 EUR |
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Solidaritätszuschlag |
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2.243,58 EUR |
Gemäß der Anmeldung über den Steuerabzug waren Empfänger der Vergütungen:
- • Künstler „A” für eine Veranstaltung am 17. Mai 2002, Abzugsteuer 1.051,40 EUR + 57,83 EUR Solidaritätszuschlag
- • Künstler „B” für Veranstaltungen am 17. Mai 2002, 18. Mai 2002 und am 20. Mai 2002, angemeldete Abzugsteuer insgesamt 14.315,56 EUR + 787,37 EUR.
- • Klägerin für 6 Veranstaltungen in 2002, angemeldete Abzugsteuer 25.424,99 EUR und 1.398,38 EUR Solidaritätszuschlag
Die gemäß Steueranmeldung einbehaltene Abzugsteuer gemäß § 50a EStG wurde jedoch in der Folgezeit nicht in voller Höhe an das ...