Rz. 57
Gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO wird dem Treugeber zwar grundsätzlich das Treugut zugerechnet, gleichzeitig wird aber keine Auskunft hinsichtlich der Zurechnung der daraus resultierenden Erträge gegeben. Da jedoch auch im Bereich der Einkommensteuer die wirtschaftliche Betrachtungsweise zu berücksichtigen ist, sind die normalerweise dem Treuhänder zufließenden Einkünfte aus dem Treugut dem Treugeber zuzurechnen, da dieser als wirtschaftlicher Eigentümer grundsätzlich über diese Einkünfte verfügt. Entsprechend werden dem Treugeber die Gewinne und Verluste aus dem Treugut auch nicht erst dann zugerechnet, wenn der Treuhänder sie an ihn weitergegeben hat, sondern sie gelten bereits ab dem Zeitpunkt des Entstehens als zugeflossen und sind von Ersterem zu versteuern. Da im Rahmen eines Treuhandgeschäfts grundsätzlich nur Vermögensgegenstände übertragen werden, können von den in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG aufgezählten Einkunftsarten nur solche entstehen, die aus Vermögen fließen. Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit, bei denen letztlich der Einsatz der persönlichen Arbeitskraft besteuert wird, bleiben untangiert. Die Übertragung des Treuguts zwischen Treugeber und Treuhänder besitzt keine ertragsteuerlichen Auswirkungen, da sich das wirtschaftliche Eigentum nicht ändert. Folglich besitzt jene Transaktion auch nicht den Charakter einer Entnahme, die eine Auflösung zugehöriger stiller Rücklagen bewirken könnte.
Rz. 58
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ebenso für den Bereich der Körperschaftsteuer. Ist der Treugeber eine Kapitalgesellschaft, hat er die Gewinne aus dem Treugut selbst der Körperschaftsteuer zu unterwerfen, unabhängig davon, ob der Treuhänder auch eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person ist. Fungiert hingegen eine Kapitalgesellschaft als Treuhänder, der Treugeber ist jedoch eine natürliche Person, so unterliegen die Einkünfte aus dem Treugut weiterhin der Einkommensteuer, da sie dem Treugeber zuzurechnen sind. Probleme können dann auftreten, wenn die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sich ihrer Gesellschaft als Treuhänder bedienen, um die aus dem Treuhandvermögen erzielten Einkünfte durch Zurechnung zum Treugeber der Körperschaftsteuer zu entziehen. Die in derartigen Treuhandverhältnissen liegende Problematik lässt sich jedoch durch das Rechtsinstitut der Organschaft, bei der der Organträger gleichermaßen eine natürliche Person sein kann und das Einkommen der Organgesellschaft mittels Zurechnung zum Organträger der Einkommensteuer und nicht der Körperschaftsteuer unterliegt, entschärfen.
Rz. 59
Sofern ein Gewerbebetrieb im Rahmen eines Treuhandverhältnisses vorliegt, erfolgt aufgrund der engen Bindung der Gewerbesteuer an die Einkommen- und Körperschaftsteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage (§ 7 Satz 1 GewStG) die Zurechnung des Gewerbeertrags nach den gleichen obigen Grundsätzen. Demnach gilt ebenfalls die in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO kodifizierte wirtschaftliche Betrachtungsweise, nach der das Treugut und die mit ihm erzielten Erträge dem Treugeber zuzurechnen sind. Hinsichtlich der Bestimmung des Steuerschuldners kommt es dabei nach der amtlichen Begründung zu § 5 GewStG 1936 nicht auf Merkmale des Handels- oder des Gewerberechts an, sodass es steuerlich unerheblich ist, "wer als Betriebsinhaber im Handelsregister eingetragen ist, auf wessen Namen das Firmenschild oder die Urkunde über die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb lautet". Bei Unternehmen, die treuhänderisch für einen Unternehmer verwaltet werden, ist gem. § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG derjenige Steuerschuldner für die Gewerbesteuer, für dessen Rechnung (und Gefahr) das Gewerbe betrieben wird; folglich ist der Gewerbeertrag dem Treugeber zuzurechnen.