Leitsatz
1. Die betriebsbezogene Betrachtung im Rahmen des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt auch bei mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen.
2. Die Übertragung eines Gewinns nach § 6b EStG auf einen anderen Rechtsträger führt mangels einlagefähigen Wirtschaftsguts für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG nicht zu einer – überentnahmemindernden – Einlage beim übertragenden Rechtsträger.
Normenkette
§ 4 Abs. 4a, § 6b Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erzielte in den Streitjahren (2009 und 2010) Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Alleinige Kommanditistin der Klägerin war die X-KG. Die Klägerin war in den Streitjahren als Kommanditistin an zwei anderen KGs beteiligt. An diese veräußerte sie 2009 Immobilien, die ihr aufgrund gleichzeitig abgeschlossener Leasingverträge wieder zur Nutzung überlassen wurden. Zur Finanzierung der Kosten gewährte die X-KG den erwerbenden KGs jeweils Darlehen. Zur Refinanzierung dieser Darlehen gewährte die Klägerin der X-KG Darlehen. Diese Darlehensverträge wurden noch 2009 wieder aufgehoben. Die Rückzahlungsansprüche der Klägerin sollten mit Ansprüchen der X-KG auf Auszahlung des auf sie entfallenden Jahresüberschusses der Klägerin verrechnet werden. Bei der Ermittlung ihres Gewinns für 2009 machte die Klägerin Gebrauch von der Möglichkeit der Übertragung des beim Verkauf der Immobilien erzielten Gewinns nach § 6b EStG auf die Anschaffungskosten der von den erwerbenden KGs erworbenen Grundstücke. Das FA rechnete dem erklärten Gewinn für 2009 und 2010 nicht abziehbare Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG außerbilanziell hinzu. Die Übertragung des Gewinns aus der Veräußerung der Grundstücke der Klägerin nach § 6b EStG auf die Anschaffungskosten der Grundstücke der erwerbenden KGs sei mangels einlagefähigen Wirtschaftsguts nicht als eine die Überentnahmen mindernde Einlage i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG anzusehen. Das FG (FG München, Außensenate Augsburg, Urteil vom 18.3.2021, 10 K 1984/18, Haufe-Index 14509895, EFG 2021, 1361) wies die Klage der Klägerin ab.
Mit ihrer Revision machte die Klägerin geltend, der nach § 6b EStG übertragene Betrag, der bei der Klägerin dem Kapitalkonto steuerneutral hinzuzurechnen (R 6b.2 Abs. 8 Satz 1 EStR) und im anderen Betrieb erfolgsneutral zulasten des Kapitalkontos abzusetzen sei (R 6b.2 Abs. 8 Satz 2 EStR), sei für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG wie eine Einlage bei der Klägerin (und eine Entnahme bei dem anderen Betrieb) zu behandeln. Bei der Inanspruchnahme des § 6b EStG auf Ebene der Klägerin erfolge im ersten Schritt eine Gewinnminderung i.H.d. Begünstigungsbetrags, die sich überentnahmeerhöhend auswirke. In einem zweiten Schritt müsse die Übertragung dieses Begünstigungsbetrags bei der Klägerin zu einem – diese Überentnahmeerhöhung ausgleichenden – Korrekturposten "wie eine Einlage" führen. Zudem sei die betriebsbezogene Betrachtung im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG hier aus teleologischen Gründen einzuschränken. Der von der X-KG Ende 2009 bei der Klägerin entnommene Betrag sei nicht in die private Vermögenssphäre des an der X-KG allein vermögensmäßig beteiligten Gesellschafters gelangt. Vielmehr habe die X-KG den entnommenen Betrag zur Tilgung der Refinanzierungsdarlehen eingesetzt; diese Darlehensmittel habe die X-KG zuvor als Mieterdarlehen an die die Immobilien erwerbenden KGs weitergeleitet, die damit die Gesamtinvestitionskosten mitfinanziert hätten, was letztlich der Klägerin über den gezahlten Immobilienkaufpreis zugutegekommen sei. Sämtliche Darlehen und auch die Entnahme hätten damit der Finanzierung der Gesamtinvestitionskosten aus den Sale-and-lease-back-Verträgen gedient. Von einem Entzug betrieblicher Mittel für betriebsfremde Zwecke könne nicht die Rede sein.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück. Zu Recht habe das FG die von der X-KG im Jahr 2009 entnommenen (handelsrechtlichen) Gewinne als Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG berücksichtigt. Denn unter Berücksichtigung des betriebsbezogenen Entnahmebegriffs habe aus Sicht der Klägerin eine Verwendung der Mittel für betriebsfremde Zwecke vorgelegen. Die von der Kommanditistin bewirkte Entnahme (aus dem Gesamthandsvermögen der Klägerin) werde auch nicht durch eine korrespondierende Einlage (in der Gesamtbilanz der Klägerin) neutralisiert. Die Tilgung der Forderung der Klägerin aus den Refinanzierungsdarlehen gegenüber der X-KG durch Verrechnung mit dem Gewinnentnahmeanspruch der X-KG bewirke zwar einen Wegfall der betreffenden Verbindlichkeit der X-KG. Eine Einlage in das Betriebsvermögen der Klägerin i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG sei damit aber nicht verbunden. Die Aufrechnung der Rückzahlungsverpflichtung der X-KG mit ihrem Gewinnentnahmeanspruch gegen die Klägerin bewirke keine Einlage in das Sonderbetriebsvermögen der X-KG bei der Klägerin. Denn die Refinanzierungsdarlehen gehörten nicht zum (negativen) Sonderbetriebsvermögen der X-KG bei der Klägerin. Sie dienten weder dem Betrieb der Klägerin noch der Stärkung der Beteiligung der X-KG...