Leitsatz
Ein Grundstück ist mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums i.S.v. § 10e Abs. 1 EStG angeschafft. Das ist der Zeitpunkt, zu dem nach der Vereinbarung im notariellen Kaufvertrag Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf den Erwerber übergehen.
Normenkette
§ 10e Abs. 1 Satz 8 EStG
Sachverhalt
Die Kläger heirateten im Dezember 1993. Kurz zuvor – im November 1993 – verkaufte die Klägerin dem Kläger das von den Klägern eigengenutzte Zweifamilienhaus-Grundstück. Nach dem notariellen Kaufvertrag sollten Besitz, Gefahr, Lasten und Nutzen "mit Zahlung des gesamten Kaufpreises" auf den Kläger übergehen. Der Kläger zahlte den Restkaufpreis im Januar 1994.
In den Einkommensteuererklärungen 1994 und 1995 machte der Kläger erfolglos den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG geltend. Das Finanzamt meinte, der begehrten Steuervergünstigung stehe § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG entgegen. Das FG teilte diese Ansicht und wies die Klage ab (EFG 2002, 16). Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidung
Zu Recht habe das FG angenommen, dass die Gewährung der Steuervergünstigung wegen § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG ausgeschlossen sei. Maßgebend für die Frage, ob der Erwerb i.S. dieser Bestimmung vom Ehegatten stattgefunden habe, sei der Anschaffungszeitpunkt, d.h. im vorliegenden Fall der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums.
Dieser sei erst im Januar 1994 und damit zu einem Zeitpunkt eingetreten, als die Kläger bereits verheiratet gewesen seien. Denn erst im Januar 1994 habe der Kläger den Restkaufpreis an die Klägerin gezahlt mit der Folge, dass nach der im Kaufvertrag getroffenen Vereinbarung Besitz, Gefahr, Lasten und Nutzungen sowie damit das wirtschaftliche Eigentum auf den Kläger übergegangen seien.
Für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums reiche der bloße Abschluss des notariellen Kaufvertrags auch dann nicht aus, wenn zusätzlich die Auflassung (§§ 873, 925 BGB) erklärt werde. Ebenso wenig habe es genügt, dass der Kläger den Übergang von Besitz, Gefahr, Lasten und Nutzungen durch Zahlung des (Rest-)Kaufpreises vor der Eheschließung ohne Zutun der Verkäuferin (Klägerin) hätte herbeiführen können.
Hinweis
Nach § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG kommt die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 10e EStG nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung oder einen Anteil daran von seinem Ehegatten anschafft und bei den Ehegatten die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 EStG) vorliegen. Entsprechendes gilt auch gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 EigZulG für die Eigenheimzulage.
Die gegen diese Regelungen geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht. Die durch § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG (nunmehr: § 2 Abs. 1 Satz 3 EigZulG) bewirkte formale Schlechterstellung von Ehegatten gegenüber Ledigen verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil jene Vorschriften insgesamt eine Regelungstendenz aufweisen, die Eheleute gegenüber nicht verheirateten Lebenspartnern begünstigen (näher dazu BFH, Urteil vom 13.2.2003, X R 6/99, BFH/NV 2003, 770, unter II.2).
Der Ausschlusstatbestand des § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG (§ 2 Abs. 1 Satz 3 EigZulG) greift ein, wenn Veräußerer und Erwerber "im Zeitpunkt der Anschaffung" miteinander verheiratet waren. Die nach diesem Zeitpunkt stattfindende Heirat ist ebenso wenig relevant wie eine spätere Scheidung oder der spätere Eintritt oder Wegfall der Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung.
"Anschaffung" in diesem Sinn bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums. Die Übertragung wirtschaftlichen Eigentums setzt nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig voraus, dass Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzungen auf den Erwerber übergehen (BFH, Urteil vom 18.7.2001, X R 39/97, BFH-PR 2002, 5). Denn maßgebend für eine Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums ist vor allem, dass Substanz und Ertrag des Grundstücks wirtschaftlich dem Nutzungsberechtigten zustehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.6.2003, X R 49/01