Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Erstmals wird in Deutschland durch einen neuen § 12 Abs. 3 UStG ein sog. "0 %-Steuersatz" eingeführt, der für Leistungen im Zusammenhang mit bestimmten (kleineren) Photovoltaikanlagen gilt. Die Neuregelung ist für alle Leistungen anzuwenden, die ab dem 1.1.2023 ausgeführt werden.
Unterschied Steuerbefreiung und Nullsteuersatz
Ein 0 %-Steuersatz unterscheidet sich von einer Steuerbefreiung einer Leistung dadurch, dass bei dem leistenden Unternehmer zwar keine Umsatzsteuer entsteht, er aber für alle damit im Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen den vollen Vorsteuerabzug beanspruchen kann.
Erfasst werden von der Anwendung des 0 %-Steuersatzes die folgenden Leistungen nach § 12 Abs. 3 UStG:
- Die Lieferung der Solarmodule einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage notwendigen Komponenten sowie von Speichern, die den erzeugten Strom speichern können, an den Betreiber der Photovoltaikanlage, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird.
- Der innergemeinschaftliche Erwerb der begünstigten Gegenstände.
- Die Einfuhr der begünstigten Teile.
- Die Installation der Anlagen und Speicher für die begünstigten Anlagen.
Nullsatz nur für Leistungen an Betreiber
Die Absenkung des Steuersatzes auf 0 % gilt nur für die Leistungen gegenüber dem Betreiber der Photovoltaikanlage. Die Lieferungen der Hersteller, Großhändler oder Einzelhändler an Personen, die nicht Betreiber der Photovoltaikanlage sind, unterliegen weiterhin dem Regelsteuersatz.
Weitere Voraussetzung ist, dass ein Zusammenhang mit der Privatwohnung, Wohnungen oder öffentlichen Gebäuden notwendig ist. Allerdings gelten diese Voraussetzungen (fiktiv) als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Anlage nicht mehr als 30 kW (peak) nach dem Marktstammdatenregister beträgt.
Privatwohnung
Es gibt keine gesetzliche Definition von einer "Privatwohnung". Gemeint ist hier offensichtlich die Wohnung des Unternehmers (z. B. bei Installation der Photovoltaikanlage auf dem Dach des Einfamilienhauses des Betreibers).
Ziel der Regelung ist insbesondere die Verwaltungsvereinfachung, da Anlagenbetreiber – soweit sie nicht noch anderweitig unternehmerisch tätig sind – in Zukunft die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch nehmen werden. Bisher wurde in diesen Fällen – obwohl meist die Umsatzgrenzen für die Kleinunternehmerbesteuerung eingehalten wurden – auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichtet, um den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Photovoltaikanlage zu erhalten. Der Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung wird in Zukunft nicht mehr notwendig sein, wenn dem Unternehmer keine Umsatzsteuer aus der Anschaffung der Anlage berechnet wird. Damit werden im Gleichklang mit dem Ertragsteuerrecht diese Anlagen aus der Besteuerung weitestgehend herausgehalten. Es bleibt den Betreibern der Photovoltaikanlagen weiterhin unbenommen, auf die Kleinunternehmerbesteuerung zu verzichten, ein wirtschaftlicher Grund wird sich dafür aber kaum ergeben.
Kleinunternehmer müssen Umsatzsteuererklärung abgeben
Nach der bisherigen Regelung müssen bei Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung aber weiterhin jährliche Umsatzsteuererklärungen abgegeben werden. Obwohl im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen wurde, ist das Thema der Abgabeverpflichtung für Kleinunternehmer nicht in das Gesetz mit aufgenommen worden. Ob die Finanzverwaltung diese Frage aufgreift (vorstellbar ist statt einer Angabe des Gesamtumsatzes der Vorjahre auch nur eine Angabe, dass der Gesamtumsatz nicht 22.000 EUR überschritten hat), muss abgewartet werden.
Neben dieser eher bürokratischen Vereinfachung kommt es für die ab dem 1.1.2023 angeschafften Anlagen aber in den Fällen, in denen erzeugter Strom für private Zwecke verwendet wird, zu einem positiven wirtschaftlichen Effekt, da der für private Zwecke entnommene Strom nicht mehr der Umsatzbesteuerung unterliegt; dies gilt unabhängig davon, ob die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch genommen wird oder nicht.
Keine unentgeltliche Wertabgabe mehr
Bisher führte die Entnahme von Strom aus einer dem Unternehmen zugeordneten Photovoltaikanlage zu einer fiktiv gegen Entgelt ausgeführten Lieferung, wenn der Unternehmer aus der Anlage den Vorsteuerabzug hatte. Bei Anschaffung ab dem 1.1.2023 ist kein Vorsteuerabzug aus der Anlage mehr möglich, sodass keine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG mehr vorliegen kann.
Bei der Beratung im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen sollte deshalb auf den Zeitpunkt der Lieferung und der Ausführung der sonstigen Leistung geachtet werden.
Behandlung von Anzahlungen
Im Regelfall liegt bei der Installation einer Photovoltaikanlage eine Werklieferung vor, die mit Abnahme der Leistung ausgeführt ist. Zu diesem Zeitpunkt ist der maßgebliche Steuersatz für die Leistung festzustellen. Wen...