Leitsatz
1. Veräußert ein Landwirt Waren in einem sog. Hofladen, so unterliegt der (pauschalen) Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen nur die Veräußerung selbst erzeugter landwirtschaftlicher Produkte sowie – in begrenztem Umfang – zugekaufter landwirtschaftlicher Produkte.
2. Dagegen ist die Veräußerung zugekaufter nicht betriebstypischer Produkte (sog. Handelswaren) nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu besteuern.
Normenkette
§ 23, § 24, § 15 UStG
Sachverhalt
Der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs (Schweine- und Milchviehwirtschaft) versteuert seine Umsätze nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG und veräußerte seine tierischen und pflanzlichen Erzeugnisse zum Teil an Wiederverkäufer (Genossenschaften, Landhändler, Viehhändler) bzw. Verarbeitungsbetriebe (Metzger) und zum Teil ab Hofstelle in einem sog. Hofladen an Endverbraucher, und zwar
- selbsterzeugte landwirtschaftliche Produkte wie Kartoffeln, Gemüse, Spargel und Eier,
- zugekaufte landwirtschaftliche Produkte wie Erdbeeren und Honig (in geringem Umfang!) und
- zugekaufte nicht betriebstypische Produkte (sog. Handelswaren) wie Wurst, Wein, Spätzle, Tee und Körbe.
Das FA beurteilte sämtliche Umsätze des Klägers aus dem Betrieb des Hofladens wegen des Zukaufs von Handelswaren als gewerbliche Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des UStG. Nur bezüglich der Schweine- und Milchwirtschaft verblieb es bei der Anwendung des § 24 UStG. Einen Vorsteuerabzug ließ das FA nur für unmittelbar dem Hofladen zuzuordnende Leistungsbezüge zu.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH unterlagen der Durchschnittssatzbesteuerung im Streitfall – in geringem Umfang! – die Umsätze mit selbsterzeugten sowie mit zugekauften (betriebstypischen) landwirtschaftlichen Produkten; lediglich für die Umsätze mit Handelswaren sei § 24 UStG nicht anwendbar. Eine abschließende Entscheidung war nicht möglich, weil noch zu prüfen war, ob und in welchem Umfang die vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerbeträge auf nicht unter § 24 UStG fallende Umsätze entfielen.
Neben einer schätzweisen Aufteilung der in Rechnung gestellten Vorsteuer war zu prüfen, ob im Hinblick auf die Veräußerung der Handelswaren Vorsteuerbeträge nach allgemeinen Durchschnittssätzen gem. § 23 UStG i.V.m. Abschn. A II. Nr. 7 der Anlage zu den §§ 69 und 70 der UStDV beansprucht werden konnten.
Hinweis
Eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG ist (nur) für "die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs" ausgeführten Umsätze vorgesehen. Zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind. Führt der Unternehmer neben den in § 24 Abs. 1 UStG bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der landwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.
§ 24 UStG soll Art. 25 der 6. EG-RL umsetzen. Zur "Landwirtschaft" – planmäßige Nutzung des Bodens und die Verwertung der gewonnenen Erzeugnisse – gehören auch die Umsätze mit selbsterzeugten Produkten, die in einem Hofladen veräußert werden.
Es ist zwar anerkannt, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb auch dann (noch) vorliegt, wenn der Landwirt auf seinem Hof betriebstypische landwirtschaftliche Erzeugnisse veräußert, die er nicht im eigenen Betrieb erzeugt, sondern zugekauft hat, falls der Zukauf dieser sog. "fremden" landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine bestimmte Grenze (sog. "Zukaufsgrenze") nicht übersteigt.
Nach der Rechtsprechung des BFH zum Ertragsteuerrecht ist die Zukaufsgrenze (erst dann) überschritten, wenn der Umsatz aus dem Zukauf über 20 % (unter besonderen Umständen über 30 %) des Gesamtumsatzes liegt. Ob diese Abgrenzungsgrundsätze uneingeschränkt für das Umsatzsteuerrecht übernommen werden können, ist zweifelhaft. Denn die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 25 Abs. 5 und Abs. 8 6. EG-RL spricht vielmehr dafür, dass für alle Umsätze an Nichtunternehmer die Durchschnittsbesteuerung nicht gilt.
Eine solche Beschränkung lässt sich § 24 UStG zwar nicht entnehmen. Ob allerdings ein beträchtlicher Zukauf von betriebstypischen Produkten zum ermäßigten Steuersatz und die Anrechnung einer (höheren) Vorsteuer entsprechend dem jeweiligen Ausgangssteuersatz für landwirtschaftliche Produkte mit dem Zweck der Vergünstigung nach § 24 UStG und vor allem der 6. EG-RL vereinbar ist, ist mehr als zweifelhaft.
Beachten Sie: Die im Ertragssteuerrecht propagierte "Bagatellgrenze" gilt jedenfalls für den Zukauf betriebsfremder Produkte für das Umsatzsteuerrecht nicht. Es fehlt der Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion. § 24 UStG ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und nach der 6. EG-RL besteht kein Anhaltspunkt für eine Einbeziehung sog. Handelswaren in den Anwendungsbereich des § 25 der 6. EG-RL. Gewerblich sind deshalb in jedem Fall Umsätze mit zugekauften nicht betriebstypischen Produkten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.12.2001, V R 43/00