Leitsatz
Die Verjährung eines Anspruchs kann nur dann nach § 231 AO unterbrochen werden, wenn die Verjährungsfrist bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Daher unterbricht eine Pfändung, die vor Beginn der Verjährung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) vorgenommen worden ist, die Verjährung nicht.
Normenkette
§ 37 Abs. 1, § 228 Satz 2, § 229 Abs. 1 Satz 1, § 230, § 231, § 232, § 324 AO
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Frage, ob die Verjährung einer Haftungsschuld auch dann durch eine Sachpfändung unterbrochen werden kann, wenn diese im Rahmen eines Arrestverfahrens bereits vor Fälligkeit der Haftungsschuld vorgenommen worden ist. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 18.3.2019, 5 K 907/18, Haufe-Index 15508013).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang muss das FG aufklären, ob ggf. weitere verjährungsunterbrechende Tatbestände gegeben sind. Aus den Vollstreckungsakten ergaben sich hierzu Anhaltspunkte.
Hinweis
1. Die Verjährung eines Anspruchs wird gemäß § 231 Abs. 1 AO durch die dort genannten Maßnahmen unterbrochen, entweder punktuell oder aber gemäß § 231 Abs. 2 AO für die dort bestimmte Dauer. Das bedeutet, dass der nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO in Gang gesetzte Fristenlauf abgebrochen wird und mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung endet, eine neue Verjährungsfrist beginnt.
2. Aus dem Begriff der Unterbrechung und der Systematik der §§ 228 ff. AO ergibt sich, dass eine Verjährungsfrist nur dann unterbrochen werden kann, wenn sie bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Deshalb kann die Verjährung eines Anspruchs nur durch ein Ereignis unterbrochen werden, das nach dem Beginn der Verjährungsfrist eingetreten ist. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH und auch des BGH.
3. Die verjährungsunterbrechenden Tatbestände sind in § 231 AO als Ausnahmeregelungen abschließend genannt.
4. Im Streitfall war die Sachpfändung im Arrestverfahren vor Fälligkeit der Haftungsschuld erfolgt. Das FG hatte die Unterbrechung bejaht, weil es sich bei dem Arrest nach den §§ 324 ff. AO um ein vorgezogenes Verfahren zur Sicherung künftiger Geldvollstreckung handele, das nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit "nahtlos" in das Beitreibungsverfahren übergeleitet werde.
Der BFH hat in dieser Überleitung des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren keine eigenständige Vollstreckungsmaßnahme gesehen, die den Tatbestand des § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO erfüllen würde. Deshalb blieb es bei den dargestellten Grundsätzen, dass eine Unterbrechung nur infrage kommt, wenn die Frist bereits begonnen hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.8.2022 – VII R 46/20